Eine Frau, die den Behindertenausweis ihres Sohnes zur Nutzung eines Sonderparkplatzes verwendet hat, obwohl der Sohn bei ihrer Einkaufstour nicht dabei war, musste sich vor Gericht wegen Missbrauch von Ausweispapieren verantworten. Die Richter des Amtsgerichts und später sogar des Oberlandesgerichts Stuttgart hatten zu entscheiden, ob die Frau sich eventuell strafbar gemacht hat. Es ging um die Frage:

Liegt hier ein Missbrauch von Ausweispapieren im Sinne des § 281 StGB vor?

Bei einer Parkausweiskontrolle hatten zwei Polizeibeamte den Behindertenausweis auf dem Armaturenbrett bemerkt. Jedoch war die Halterin des Fahrzeugs nicht in Begleitung des behinderten Sohnes, sondern mit dem später ebenfalls Angeklagten, der am besagten Tag das Fahrzeug führte. Die Angelegenheit wurde zur Anzeige gebracht und vor dem AG Stuttgart als strafbare Handlung gemäß § 281 StGB eingestuft. Die Angeklagten wurden zu einer Geldstrafe von 50 bzw. 40 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt.

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Revision hat Erfolg: Benutzen des Ausweises war nicht strafbar

Hiermit wurde die Sache jedoch noch nicht zu den Akten gelegt. Die Angeklagten wollten sich mit dem Urteil nicht abfinden und legten Revision zum Oberlandesgericht in Stuttgart ein.
Und hier war man nun anderer Ansicht. Laut dem Revisionsgericht (Beschluss vom 27.08.2013, Az.: 2 Ss 349/13) dürfe man bei diesem Sachverhalt nicht von einem Missbrauch der Ausweispapiere ausgehen:
Zunächst prüften die Richter ob es sich bei einem Behindertenparkausweis um ein Ausweispapier im Sinne des Paragraphen 281 Absatz 1 StGB handele. Dann muss der Parkausweis nämlich eine amtliche Urkunde darstellen. Dies bejahte das OLG problemlos, denn der Ausweis ist von einer öffentlichen Behörde ausgestellt und kann zum Nachweis der Identität einer Person herangezogen werden.

Keine Täuschung im Rechtsverkehr

Diese amtliche Urkunde muss, um den Straftatbestand des § 281 StGB erfüllen zu können, aber auch „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ verwendet worden sein. Und hier sah das OLG Stuttgart die Problematik. Der § 281 Absatz 1 StGB bestraft mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe, wenn der Täter den Ausweis verwendet, um über seine eigene Identität zu täuschen. Die Frau hätte also den Behindertenparkausweis mit dem Motiv in das Auto legen müssen, sich selbst als Behinderte und somit als Inhaberin des Parkausweises auszugeben. Die Angeklagten hatten vielmehr nur darüber getäuscht, dass der wirkliche Inhaber, also der behinderte Sohn der Angeklagten, während der Autofahrt dabei war. Denn der den Parkausweis auslegende Führer des Autos behauptet nicht automatisch auch der Inhaber des Ausweises zu sein, sondern kann diesen auch lediglich befördern.