Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer Entscheidung mit den Anforderungen beschäftigt, die erfüllt sein müssen, damit eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Dabei kommt der BGH zu dem Schluss, dass hieran keine überspannten Ansprüche gestellt werden dürfen.

Die Leitsätze der Entscheidung lauten:

  • „Bei Prüfung der Voraussetzungen einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 II Strafgesetzbuch (StGB) ist das Gericht grundsätzlich gehalten, sich mit dem Vorliegen einer günstigen Sozialprognose nach § 56 I StGB auseinander zu setzen.
  • Die nach § 56 II StGB erforderlichen Milderungsgründe von besonderem Gewicht müssen der Tat keinen Ausnahmecharakter verleihen. Es reicht aus, wenn sie eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechtsgehalts als nicht unangebracht und als den vom Strafrecht geschützten Interessen zuwiderlaufend erscheinen lassen“ (vgl. BGH, Beschluss vom 30. 4. 2009 – 2 StR 112/09).

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

„Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 2 Fällen unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 5 Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision führt zur Aufhebung des Urteils, soweit ihm eine Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist (…).“

Nach § 56 Abatz 1 StGB setzt das Gericht bei Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

Nach § 56 Absatz 2 StGB kann das Gericht unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

Seine Entscheidung begründet der BGH wie folgt:

„Es ist bereits im Ansatz rechtsfehlerhaft, besondere Umstände i.S.d. § 56 II StGB zu verneinen, ohne sich mit der Frage zu befassen, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose nach § 56 I StGB zu stellen ist. Dies gilt schon deshalb, weil zu den nach Absatz 2 zu berücksichtigenden Faktoren auch solche gehören, die schon für die Prognose nach Absatz 1 relevant sind (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 375f.; StV 2003, 670), wie auch umgekehrt besondere Umstände i.S.d. Absatz 2 für die Prognose nach Absatz 1 von Belang sein können (vgl. BGHR StGB § 56 I Sozialprognose 31). Die Annahme einer Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens lag nach den Feststellungen auch nicht von vorneherein fern. Der Angeklagte ist lediglich geringfügig und nicht einschlägig wegen Beleidigungen, einer fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung und eines Diebstahls geringwertiger Sachen vorbestraft, die abgeurteilten Straftaten liegen einige Jahre zurück und die Verfahrensdauer war unangemessen lang. Außerdem übt der Angekl. eine Arbeitstätigkeit als Gas- und Wasserinstallateur aus und ist inzwischen von seinen Kindern getrennt.

Darüber hinaus hat die Strafkammer zu hohe Anforderungen an das Vorliegen besonderer Umstände nach § 56 II StGB gestellt. Es genügt, dass Milderungsgründe von besonderem Gewicht vorliegen, die eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechtsgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht unangebracht und als den vom Strafrecht geschützten Interessen zuwiderlaufend erscheinen lassen (vgl. BGHSt 29, 370, 371; BGH NStZ 1986, 27 mwN). Dass diese Milderungsgründe der Tat Ausnahmecharakter verleihen, verlangt § 56 II StGB entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht (vgl. BGHR StGB § 56 II Umstände, besondere 1;“ vgl. insges. BGH, Beschluss vom 30. 4. 2009 – 2 StR 112/09).