„Alexa“ und „Siri“ als Zeuge vor Gericht! Solche und vergleichbare Nachrichten gehen seit Einführung der sprachgesteuerten digitalen Assistenten in regelmäßigen Abständen durch die Medienlandschaft.

Es ist nicht neu, dass Strafverfolgungsapparate bei der Aufklärung von Straftaten Zugriff nehmen auf vom Täter oder Opfer benutzte digitale Endgeräte, wie Mobiltelefone oder Rechner. Dies kann insofern nicht verwundern, als das Kommunikationsverhalten und der Kommunikationsinhalt in zahlreichen Fällen jedenfalls indiziellen Beweis für die Tatfrage erbringen kann. In nicht wenigen Fällen werden Straftaten – häufig vom Täter selbst – sogar videodokumentiert, sodass der Auswertung der Geräte noch größere Bedeutung zukommt.

Chancen und Herausforderungen für die Strafverfolgung

Digitale Assistenten reagieren auf Zuruf eines Signalworts. Hierauf können dem Gerät beispielsweise Fragen gestellt oder Musikwünsche geäußert werden, die dann beantwortet, respektive abgespielt werden. Dazu nimmt das entsprechende Gerät Kontakt zu dem Server, um im Beispiel zu bleiben, von Amazon oder Apple auf (Blechschmitt, MMR 2018, S. 361, 362). Die entsprechenden Sprachbefehle werden von den Anbietern gespeichert (Blechschmitt, MMR 2018, S. 361, 362). Diese Daten wecken – bezogen auf die Strafverfolgung – auf zwei Seiten Begehrlichkeiten.

Alexa als Zeuge vor Gericht

Zum einen können bzw. könnten sie Aufschluss darüber geben, wer zu welcher Zeit an einem Tatort anwesend war. Sie können also zur Beweisgewinnung für bereits abgeschlossene Straftaten in Form von nicht verdeckten Ermittlungsmaßnahmen dienen. So jüngst geschehen in einem Fall, der vor dem Landgericht Regensburg für größeres Aufsehen sorgte, bei dem, soweit ersichtlich, das erste Mal ein digitaler Sprachassistent half, ein Verbrechen aufzuklären (Weber, jM 2021, S. 252). Hier gab es um den von Rechtsmedizinern errechneten Todeszeitpunkt herum zwei Sprachaufzeichnungen, die Befehle an „Alexa“ enthielten. Über diese konnte die Tat dem ehemaligen Lebensgefährten der Verstorbenen zugeordnet werden. Amazon gab die entsprechenden Sprachaufzeichnungen bereitwillig heraus (Weber, jM, S. 252).

Zum anderen könnten die Geräte auch für verdeckte Ermittlungsmaßnahmen äußerst hilfreich sein.

Gesetz ermöglicht effektivere digitale Ermittlungen

Wichtige Neuerungen auf dem Gebiet verdeckter Ermittlungsmaßnahmen brachte das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ hervor (Blechschmitt, MMR 2018, S. 361, 362). Dieses ermöglicht das Auslesen von Kommunikation an der Quelle (Quellen-TKÜ) und die sogenannte Online-Durchsuchung, welche im Zusammenhang mit digitalen Assistenten eine tragende Rolle spielen könnte (Blechschmitt, MMR 2018, S. 361, 362). „Die umfassende Auswertung digitaler Kommunikationsinhalte ist wesentlicher Inhalt der ‚Strafverfolgung 2.0‘“ (Blechschmitt, MMR 2018, S. 361, 362).

Es soll in der auf einer Homepage gebotenen Kürze dargestellt werden, welche durch das Gesetz in Kraft getretenen Vorschriften der §§ 100a bis 100c StPO am ehesten für die für Strafverfolgungsorgane interessante akustische Überwachung des Wohnraums mittels digitaler Assistenten bei verdeckten Ermittlungen herangezogen werden könnte, mit anderen Worten, ob eine der entsprechenden Ermächtigungsgrundlagen die Datenauswertung oder einen Zugriff auf Mikrofone oder andere sensorische Systeme der digitalen Assistenten erlaubt (Rüscher, NStZ 2018, S. 687,690).

Digitale Beweismittel und Strafverfolgung: Akustische Überwachung durch digitale Assistenten möglich, aber rechtlich fragwürdig

Unterlagen zur Vorbereitung der im Juni 2019 durchgeführten Innenministerkonferenz (IMK) war gemäß der Redaktion von beck-aktuell Folgendes zu entnehmen:

„Spuren komme eine immer größere Bedeutung zu. Daher müssten die Strafverfolgungsbehörden in der Lage sein, digitale Spuren zu erkennen, zu sichern und auszuwerten. Wer mit dem Internet verbundene Sprachassistenten verwendet, hinterlässt genauso digitale Spuren wie die Nutzer smarter Fernseher, Hightech-Kühlschränke oder moderner Alarmanlagen. Diese Spuren sind für Ermittler potenziell interessant“ (Redaktion beck-aktuell Nachrichten, Pressemitteilungen, Fachnews becklink 2013361).

Betrachtet man die technischen Möglichkeiten, die sich über digitale Assistenten für die Strafverfolgungsbehörden ergeben, ist dies nachvollziehbar. Technisch ließe sich mit den digitalen Assistenten eine vollumfängliche akustische, bei entsprechender Ausstattung, sogar visuelle Wohnraumüberwachung durchführen. Hierfür wäre es nicht einmal erforderlich, dass Ermittler die Wohnungen von Tatverdächtigen zwecks Installation althergebrachter „Wanzen“ betreten, womit stets ein hohes Entdeckungsrisiko einhergeht. Insofern ist auch die damalige Ankündigung des früheren Innenministers Thomas de Maiziere verständlich, der „Hersteller in die Pflicht nehmen (wollte), um Schlupflöcher in das System zu integrieren und die digitale Verbrecherjagd auf diese Weise zu erleichtern“ (https://www.sueddeutsche.de/digital/aussenansicht-digitale-zeugin-1.3949398). Die rechtlichen Möglichkeiten gehen, zumindest nach derzeit geltender Gesetzeslage, mit diesen technischen Möglichkeiten indes nicht Hand in Hand.

Digitale Assistenten als Beweismittel.

Strafverfolgung im Rahmen offen geführter Ermittlungsmaßnahmen

Zwar können die Strafverfolgungsbehörden im Rahmen offen geführter Ermittlungsmaßnahmen über die §§ 94 ff., 110 Abs. 3 StPO (analog), wonach die Durchsicht auf von dem Betroffenen räumlich getrennten Speichermedien zulässig ist, Zugriff nehmen auf die gespeicherten Sprachprotokolle bzw. -aufzeichnungen. Die auf diese Weise gewonnenen Daten können Auskunft darüber geben, wer zu welcher Zeit an einem Tatort anwesend war, wenn Aufzeichnungen über entsprechende Sprachbefehle – wie im Fall vor dem Landgericht Regensburg – vorhanden sind.

Strafverfolgung im Rahmen verdeckt geführter Ermittlungsmaßnahmen

Heimliche aktivierende Zugriffe auf sensorische Systeme der digitalen Assistenten im Rahmen verdeckt geführter Ermittlungsmaßnahmen sind mit der geltenden Rechtslage jedoch nicht in Einklang zu bringen, auch nicht über die §§ 100a-100c StPO, die erst im Jahr 2017 über das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens erneuert wurden.

Einschränkungen bei der Telekommunikationsüberwachung über § 100a Abs. 1 StPO

Ein Zugriff über § 100a Abs. 1 StPO (Telekommunikationsüberwachung) könnte nur dann erfolgen, wenn die laufende Kommunikation (unverschlüsselt) ausgeleitet werden soll. Dies beträfe lediglich die Anfragen, die der Berechtigte seinem digitalen Assistenten stellt, und die Antworten hierauf. Aus Sicht der Ermittler im Rahmen verdeckt geführter Ermittlungen kein erstrebenswerter Erkenntnisgewinn. Aufgrund der selektiven Übertragung digitaler Assistenten ist die Voraussetzung, dass es sich um laufende Kommunikation handeln muss, für den eigentlich interessanten Fall nicht erfüllt, in dem, unabhängig von der Aktivierung des Beschuldigten, Zugriff genommen werden soll auf die Mikrofone digitaler Sprachassistenten, um so das gesprochene Wort zu überwachen.

Keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage in § 100c Abs. 1 StPO

Die Infiltration digitaler Assistenten zur Ermöglichung verdeckter Abhörmaßnahmen kann aus gesetzessystematischen bzw. historischen Gründen auch nicht auf § 100c Abs. 1 StPO (akustische Wohnraumüberwachung) gestützt werden, weil § 100c Abs. 1 StPO keine ausdrückliche und ausreichende Ermächtigungsgrundlage für einen manipulativen Eingriff in fremde informationstechnische Systeme und für eine Datenerhebung enthält, sondern lediglich die Überwachung mittels technischer Mittel, nicht aber ein Eingriff in informationstechnische Systeme erlaubt wird.

Ungeeignetheit von § 100b StPO für die Infiltration digitaler Assistenten als Beweismittel

§ 100b StPO (Online-Durchsuchung) schließlich, der seinem Wortlaut nach am ehesten für den heimlichen Zugriff auf sensorische Systeme der digitalen Assistenten im Rahmen verdeckt geführter Ermittlungsmaßnahmen in Betracht käme, erlaubt, kurz gesagt, nicht die Manipulation der digitalen Assistenten, die aber erforderlich wäre, um diese entsprechend zur Ausforschung einzusetzen. § 100b StPO scheidet insofern als Ermächtigungsgrundlage für den aktiven Zugriff auf vernetzte Systeme in Form von digitalen Assistenten aus, wenn durch das Aktivieren und Aufzeichnen von Mikrofonen und ggf. Kameras der Beschuldigte in einem laufenden Strafverfahren überwacht werden soll.

Kombination aus § 100b StPO und § 100c StPO für den Zugriff auf digitale Assistenten notwendig

De lege ferenda würde lediglich eine Kombination aus § 100b StPO und § 100c StPO als neu zu schaffendes Gesetz für den aktiven Zugriff auf vernetzte Systeme in Form von digitalen Assistenten dienen können, um zumindest die akustische Überwachung von Tatverdächtigen über digitale Assistenten zu ermöglichen. Da dies de lege lata über § 100c StPO nicht möglich ist, weil er nicht zu einem manipulativen Eingriff in fremde informationstechnische Systeme und eine Datenerhebung hieraus ermächtigt, sondern (lediglich) zu einer Überwachung mittels technischer Mittel und § 100b StPO letztlich daran scheitert, dass er zu keiner Überwachung mittels informationstechnischer Systeme ermächtigt, ließen sich über eine neu zu schaffende Kombination die jeweiligen Defizite wechselseitig kompensieren.

Zumindest nach den derzeit geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäben wäre „die Grenze des Zulässigen, (welche) durch das Gebot verhältnismäßigen Handelns, den Kernbereichsschutz privater Lebensgestaltung und insbesondere das hieraus abzuleitende Verbot einer Totalüberwachung gekennzeichnet“ ist (Bruns in: KK-StPO, § 100, § 100a StPO, Rn. 5 m. Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in NJW 2002, 98, Rn. 8.) damit jedoch weit überschritten.

Insofern hätten die Bedenken bezüglich § 100d StPO auch im Zusammenhang mit digitalen Assistenten, die als „Wanzen“ für die Überwachung von Tatverdächtigen eingesetzt werden sollen, ihre Berechtigung. Es bestehen begründete „Zweifel an der praktischen Durchsetzbarkeit eines Beweisverbots (über § 100d StPO), das sich im Zeitalter der Digitalisierung pauschal auf den Kernbereich privater Lebensgestaltung bezieht, ohne diesen theoretisch so neu zu fundieren, dass etwa eingesetzte Spähsoftware dementsprechend vorprogrammiert werden kann“ (Gless, StV 2018, S. 671, 676).

Keine Überwachung des Wohnraums mittels digitaler Assistenten bei verdeckten Ermittlungen

Keiner der §§ 100a bis 100c StPO kann nach derzeit geltender Rechtslage für die für Strafverfolgungsorgane interessante akustische Überwachung des Wohnraums mittels digitaler Assistenten bei verdeckten Ermittlungen herangezogen werden. Keine der entsprechenden Ermächtigungsgrundlagen erlaubt einen aktivierenden Zugriff auf Mikrofone oder andere sensorische Systeme der digitalen Assistenten.

Der Gesetzgeber aus dem Jahr 2017 hat, als er über das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (§ 100a StPO) und die Online-Durchsuchung (§ 100b StPO) entwickelt hat, auf einen entsprechenden Erlaubnistatbestand verzichtet. Aufgrund von derzeit geltenden Grundsätzen ist eine baldige Änderung dieser Gesetzeslage nicht zu erwarten.

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