Erneut hat der Bundesgerichtshof bestätigt, dass „frühere Gewalteinwirkungen als (konkludente) Drohung gegenüber dem Opfer zu beurteilen sein können, den körperlich wirkenden Zwang erneut anzuwenden, falls das weitere Vorgehen des Täters auf Widerstand stoßen sollte. So kann vorangegangene Gewalt in diesem Sinne fortwirken, wenn das Opfer angesichts der früheren Gewaltanwendung und der gegebenen Kräfteverhältnisse aus Furcht vor weiteren Gewalttätigkeiten von einer Gegenwehr absieht, sofern der Täter zumindest erkennt und billigt, dass das Opfer sein Verhalten als Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben empfindet“ (BGH, Beschluss vom 24. 6. 2010 – 4 StR 260/10).

„Nach den Feststellungen (des erstinstanzlichen Gerichts) kehrte der Angeklagte `an einem nicht mehr bestimmbaren Tag im Jahre 2004` in betrunkenem Zustand in die gemeinsam mit seiner Freundin, der Zeugin Nicole B, bewohnte Wohnung zurück. Der Angeklagte wollte mit der Zeugin geschlechtlich verkehren, legte sich zu ihr ins Bett und begann sie zu streicheln. Die Zeugin erklärte dem Angeklagten mehrfach, dass er sie in Ruhe lassen solle und sie dies nicht wolle. Wütend geworden beschimpfte er die Zeugin und ergriff sodann einen schweren Kerzenständer aus Metall, den er in ihre Richtung warf, wobei ihm bewusst war, dass er die Zeugin treffen könnte. So geschah es auch; der Kerzenständer traf Frau B an der linken Schulter, was ihr Schmerzen bereitete. Der Angeklagte nahm dies wahr, es war ihm jedoch gleichgültig. Er begab sich in die Küche, hörte dort Musik und rauchte eine Zigarette. Nach einer nicht mehr genau bestimmbaren Zeitspanne von höchstens 30 Minuten kehrte er in das Schlafzimmer zurück. „Unter dem Eindruck des zuvor erfolgten Wurfs mit dem Kerzenständer und aus Angst vor weiterer Gewalt widersetzte sich die Zeugin Nicole B dem Angeklagte nicht mehr. Der Angeklagte, dem bewusst war, dass die Zeugin nach wie vor innerlich nicht gewillt war, mit ihm geschlechtlich zu verkehren, aber aus Angst vor weiterer Gewalt den Geschlechtsverkehr zuließ, drang mit seinem Penis in die Scheide der Zeugin Nicole B ein und vollzog mit ihr den Beischlaf bis zum Samenerguss” (BGH, Beschluss vom 24. 6. 2010 – 4 StR 260/10).

Der vorhergegangene Wurf mit dem Kerzenständer reichte (objektiv) für die Verurteilung nach § 177 Absatz 1 und 2 Nr. 1 StGB (besonders schwerer Fall einer Vergewaltigung), weil der Täter damit (konkludent) drohte, bei einer Weigerung der Geschädigten eine ähnliche Attacke erneut vorzunehmen. Das erstinstanzliche Landgericht hat jedoch versäumt den subjektiven Tatbestand in seinen Urteilsgründen ausreichend darzustellen. Nicht belegt hat es in der Beweiswürdigung nämlich, „aus welchen Gründen es zu der Überzeugung gelangt ist, der Angeklagte habe billigend in Kauf genommen, dass die Zeugin die erneute Annäherung als eine konkludente Drohung empfand und infolge der Anwendung dieses Nötigungsmittels die Durchführung des Geschlechtsverkehrs duldete; dies ist insbesondere bei erheblicher Alkoholisierung kritisch zu prüfen (BGH, Beschluss vom 24. 6. 2010 – 4 StR 260/10).