Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seiner Entscheidung vom 18. 12. 2008 (4 StR 455/08) die Rechte des Beschuldigten aus § 136 I S. 2 StPO auf Aussageverweigerung und Verteidigerbefragung faktisch (weiter) eingeschränkt.
Gemäß § 136 I S. 2 StPO ist der Beschuldigte darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Dieser Grundsatz wird von den Ermittlungsbehörden häufig dadurch umgangen, dass sie den eigentlich schon als Beschuldigten Geführten schlicht nicht als solchen verhören, sondern ihn als Zeugen behandeln und in dieser Funktion eine Aussage von ihm verlangen. Damit wird jedoch der Grundsatz aus § 136 I S. 2 StPO, wenn auch nicht immer absichtlich, so doch zumindest fahrlässig durch die Ermittlungsbehörden ignoriert.
Der BGH hat dazu in einer älteren Entscheidung ausgeführt, dass zwar nicht jeder Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft mit der Folge einer entsprechenden Belehrungspflicht begründe; vielmehr komme es auf die Stärke des Tatverdachts an. Es obliege jedoch der Strafverfolgungsbehörde, nach pflichtgemäßer Beurteilung darüber zu befinden, ob ein Tatverdacht sich bereits so verdichtet habe, dass die vernommene Person ernstlich als Täter oder Beteiligter der untersuchten Straftat in Betracht komme. Falls der Tatverdacht aber so stark sei, dass die Strafverfolgungsbehörde anderenfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, sei es verfahrensfehlerhaft, wenn der Betreffende dennoch als Zeuge und nicht als Beschuldigter vernommen werde (BGHSt 37, S. 48 (51 f)).
Unter normalen Umständen würde aus der fehlenden Belehrung über die Rechte des § 136 I S. 2 StPO in einem solchen Fall ein Verwertungsverbot folgen. Will heißen: Die Aussage des Beschuldigten, die dieser als „Zeuge“ gemacht hat, darf in dem später folgenden Gerichtsverfahren nicht verwertet werden.
Um dies jedoch zu verhindern, wendet der BGH und ihm folgend die Ermittlungsbehörden, nachstehenden „Trick„ an: Die Aussage darf dann in einem späteren Gerichtsverfahren verwertet werden, wenn der nunmehr als Beschuldigter geführte vor seiner Aussage in dieser Eigenschaft über seine Rechte aus § 136 I S. 2 StPO belehrt und darauf hingewiesen wird, dass seine erste Aussage, welche er noch als Zeuge getätigt hat, im späteren Verfahren nicht verwertet werden darf. Wenn er nach dieser sog. qualifizierten Belehrung aussagt, kann diese für seine Verurteilung verwertet werden.
Die berechtigte Kritik an dieser Vorgehensweise liegt auf der Hand: Jeder Beschuldigte wird denken, dass seine erste Aussage, wenn auch nicht direkt verwertet wird, so doch zumindest schon in der Welt ist und auf anderem Wege Eingang in das Urteil findet. Die Belehrung über das Schweigerecht nach einer bereits getätigten Aussage kann insofern nicht die gleiche Qualität aufweisen, wie eine Schweigerechtsbelehrung vor einer ersten Aussage und sei es, dass über die Nichtverwertbarkeit der ersten Aussage belehrt wird.