Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat auf eine Revision der Staatsanwaltschaft Frankfurt Stellung genommen zu der Frage, ob, wenn sich der Täter einem Kraftfahrer lediglich für 30 Sekunden in den Weg stellt und dadurch Anwesenheit zum Anhalten zwingt, Gewalt i.S. des § 240 Absatz I StGB vorliegt (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 23. 11. 2010 – 2 Ss 274/10).

Nach § 240 I StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt.

Dem Urteil des OLG Frankfurt lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

„Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten wegen Nötigung zu einer Geldstrafe. Auf die Berufung des Angeklagten sprach ihn das Landgericht aus tatsächlichen Gründen frei. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der Angeklagte und der Zeuge S in der Vergangenheit schon häufiger in Streit geraten, weil der Zeuge mit seinem Motorrad über das Grundstück des Angeklagten fuhr. Am 27. 9. 2009 fuhr der Zeuge S mit seinem Motorrad erneut über das Grundstück des Angekl. Als dieser wieder wegfahren wollte, stellte sich ihm der Angeklagte in den Weg und forderte ihn auf, nicht über sein Grundstück zu fahren. Weil der Angeklagte hierbei einen Stock in der Hand hielt, fragte der Zeuge den Angeklagte, ob er ihn nun schlagen wolle. Hierauf erwiderte der Angeklagte etwas und entfernte sich. Der Wortwechsel dauerte etwa 30 Sekunden. Das Landgericht sah den Tatbestand der Nötigung als nicht erfüllt an, da weder Gewalt noch eine Drohung mit einem empfindlichen Übel gegeben seien. Dass der Angeklagte den Stock zum Zwecke der Drohung eingesetzt habe, sei nicht erwiesen“ (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 23. 11. 2010 – 2 Ss 274/10).

Die Revision der Staatsanwaltschaft blieb aus folgenden Gründen erfolglos.

„Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts tragen den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Nötigung. Insbesondere liegt der von der Staatsanwaltschaft gerügte Darstellungsmangel nicht vor. Das Landgericht war nicht gehalten, nähere Feststellungen zur Hinderung des Zeugen am Wegfahren zu treffen. Denn auch für den Fall, dass der Zeuge sein Motorrad anhalten musste, um den sich ihm in den Weg stellenden Angekl. nicht anzufahren, ergibt sich eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Nötigung nach § 240 StGB nicht. Die Annahme einer tatbestandsmäßigen Gewalt scheidet aus, wenn die Handlung lediglich in körperlicher Anwesenheit besteht und die Zwangswirkung auf den Betroffenen nur psychischer Natur ist (…).

So verhielt es sich hier. Eine physische Gewalteinwirkung auf den Zeugen war nicht gegeben. Der Angeklagte versperrte dem Zeugen, selbst wenn dieser wegen ihm sein Motorrad anhalten musste, ohne direkte körperliche Einwirkung lediglich für etwa 30 Sekunden den Weg und gab diesen unmittelbar wieder frei, nachdem der Zeuge ihn fragte, ob er – der Angeklagte – ihn schlagen wolle (…). Nähere Feststellungen zu den Örtlichkeiten des Geschehens waren vor diesem Hintergrund entbehrlich.

Im Übrigen würde es auch an einer Verwerflichkeit der Tathandlungen i.S. des § 240 Absatz II StGB fehlen. Diese liegt vor, wenn die Nötigungshandlung zu dem angestrebten Zweck unter Berücksichtigung aller Umstände so anstößig ist, dass es als grober Angriff auf die Entschlussfreiheit anderer der Zurechtweisung mit den Mitteln des Strafrechts bedarf (…). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts handelt es sich bei dem Grundstück, über das der Zeuge in der Vergangenheit häufiger gefahren ist, um das Grundstück des Angeklagten. Da sich dieser einem weiteren Eingriff in sein Eigentumsrecht durch den Zeugen ausgesetzt wähnte und die Hinderung des Zeugen am Wegfahren lediglich etwa 30 Sekunden andauerte, wäre das Verhalten des Angekl. nicht ethisch missbilligenswert und somit nicht verwerflich i.S. des § 240 Absatz II StGB“ (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 23. 11. 2010 – 2 Ss 274/10).

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