Der Bundesgerichtshof (BGH) hat auf eine Revision der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Landgerichts (LG) Amberg zu den Voraussetzungen Stellung genommen, die erfüllt sein müssen, damit eine Strafbarkeit nach §§ 306a, 306b StGB (besonders schwere Brandstiftung) angenommen werden kann (BGH, Urteil vom 21. 9. 2011 – 1 StR 95/11 (LG Amberg)).
Folgendes hatte sich zugetragen:
„Nach den Feststellungen des LG kauften der Angeklagte und seine Ehefrau im Jahr 2000 ein Haus in U., das sie nach einem Umbau ab dem Jahr 2003 bewohnten. Das Haus in V., das sie bis dahin bewohnt hatten, sollte für 1,4 Mio € verkauft werden. Die Verkaufsbemühungen erwiesen sich jedoch als erfolglos. Die Eheleute unterhielten deshalb zunächst 2 Wohnsitze, wobei sie hauptsächlich in ihrem neuen Haus in U. wohnten. Ab dem Jahr 2009 gaben sie schließlich ihren Wohnsitz in V. auf. Sie hielten sich dort nur noch selten auf. Bei ihren Besuchen sahen sie nach dem Rechten. Außerdem kümmerten sie sich um die Gartenpflege, die Hausreinigung und die erforderlichen Instandhaltungsarbeiten, da das noch immer möblierte Haus wegen des beabsichtigten Verkaufs in einem „Vorzeigezustand” erhalten bleiben sollte. Im Rahmen ihrer Aufenthalte in V. kam es vereinzelt auch zu Übernachtungen. So übernachteten der Angeklagte und seine Ehefrau im Mai, Juni und Juli 2009 jeweils einmal dort. Im März, April und August 2009 gab es dagegen keine Übernachtung.
Da die monatlichen finanziellen Aufwendungen (Kreditzinsen, Unterhaltungs- und Betriebskosten) für die beiden Häuser die Einkünfte des Angeklagten und seiner Ehefrau aus ihren Renten bei Weitem überstiegen, entschloss sich der Angeklagte, das Haus in V. in Brand zu setzen, um anschließend Leistungen aus der Brandversicherung zu erhalten. Seine Ehefrau wusste hiervon nichts. Am 31. 8. 2009 zündete er im Keller des Hauses, in dem sich außer ihm keine weiteren Personen befanden, u.a. mehrere Federkernmatratzen an. Das Feuer griff über die hölzerne Außenfassade auf den Dachstuhl über. Ein im Dachgeschoss befindliches Schlafzimmer brannte vollständig aus. Durch die Brand- und Rußeinwirkung entstanden im Keller- und Dachgeschoss Schäden i.H.v. mindestens 200000 €.
Mit Schreiben vom 2. 9. 2009 meldete der Angeklagte das Brandereignis seiner Versicherung. Am 23. 12. 2009 wendete er sich mit einem weiteren Schreiben an diese.
Das LG hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Brandstiftung in Tateinheit mit Versicherungsmissbrauch zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision eine Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung an. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des Urteils, allerdings nicht aus dem von der Staatsanwaltschaft geltend gemachten Rechtsgrund, sondern weil die Strafkammer ihre umfassende Kognitionspflicht verletzt hat (BGH, Urteil vom 21. 9. 2011 – 1 StR 95/11 (LG Amberg)).
Die Revision der Staatsanwaltschaft war im Ergebnis begründet. Seine Entscheidung begründet der BGH wie folgt:
Soweit die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel jedoch das Ziel verfolgt, eine Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung zu erreichen, hat ihr Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Bewertung des LG, wonach der Qualifikationstatbestand der besonders schweren Brandstiftung vorliegend nicht erfüllt ist, weist keinen Rechtsfehler auf.
(…) Eine Verurteilung wegen besonders schwerer Brandstiftung setzt das Vorliegen einer Haupttat nach § 306a StGB voraus. In Betracht kommt vorliegend allein eine Tat nach § 306a Absatz I Nr. 1 StGB in der Tatvariante des Inbrandsetzens eines Gebäudes, das zur Tatzeit der Wohnung von Menschen dient. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH geht das LG zutreffend davon aus, dass diese Tatbestandsalternative nur dann verwirklicht ist, wenn das Gebäude von seinen Bewohnern zumindest vorübergehend tatsächlich als Mittelpunkt ihrer (privaten) Lebensführung zu Wohnzwecken genutzt wird (…). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles (…).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat sich das LG nicht davon überzeugen können, dass das von dem Angeklagten in Brand gesetzte Haus in V. zur Tatzeit noch der Wohnung von Menschen diente. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. …
(…) Die Beweiswürdigung ist auch nicht lückenhaft. Das LG hat sich in den Urteilsgründen mit allen Umständen auseinandergesetzt, die für eine Wohnnutzung des in Brand gesetzten Gebäudes zur Tatzeit sprechen könnten. Dabei hat es, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, insbesondere nicht außer Acht gelassen, dass es bis zu der Tat zu gelegentlichen Aufenthalten – einschließlich vereinzelter Übernachtungen – des Angekl. und seiner Frau in dem Haus gekommen war. Weiterhin hat es bei seiner Beweiswürdigung auch berücksichtigt, dass das Haus bis zum Brand „fast” vollständig möbliert und dass der Pool beheizt war. Dennoch hat es sich keine Überzeugung von einer Wohnnutzung verschaffen können. Zur Begründung hat es entscheidend darauf abgestellt, dass der Angekl. und seine Ehefrau nicht mehr regelmäßig in dem Haus in V. übernachteten und sich dort, wie sich aus den im Urteil mitgeteilten Angaben der Ehefrau in der Hauptverhandlung ergibt, nur noch deshalb aufhielten, um es wegen des beabsichtigten Verkaufs sauber zu halten und um die Gartenpflege zu bewerkstelligen. Selbst die Nachbarn und der Polizeibeamte, der am Tag nach dem Brand den Tatort untersuchte, hielten das Haus für unbewohnt. Angesichts dieser Umstände ist die Annahme des LG, dass es sich bei dem Haus in V. nicht (mehr) um den Lebensmittelpunkt des Angekl. und seiner Ehefrau handelte, eine nahe liegende Schlussfolgerung, die revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
(…) Das LG musste sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit der Frage auseinandersetzen, wie oft sich der Angekl. und seine Ehefrau in dem Haus aufhielten, ohne dort zu übernachten. Da Wohnen mehr ist als sich nur Aufhalten (…), kann selbst eine Vielzahl von Besuchen in einem Gebäude, die ausschließlich der Vornahme von Instandhaltungsarbeiten, der Hausreinigung oder der Gartenpflege dienen, nicht zur Begründung eines – auch nur vorübergehenden – räumlichen Lebensmittelpunktes führen.
(…) Auch wenn die Bewertung des LG, der Angeklagte habe vorliegend – nur – den Tatbestand einer (einfachen) vorsätzlichen Brandstiftung verwirklicht, nicht rechtsfehlerhaft ist, kann das Urteil im Ergebnis gleichwohl keinen Bestand haben, weil das LG seiner umfassenden Kognitionspflicht nicht genügt hat. Das Sachurteil muss den durch die zugelassene Anklage abgegrenzten Prozessstoff erschöpfen; der einheitliche geschichtliche Lebensvorgang, der den Gegenstand der Untersuchung bildet, muss vollständig abgeurteilt werden (..). Dies ist hier nicht geschehen.
(…) Das LG hätte sich nicht damit begnügen dürfen, lediglich eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen eines – tateinheitlich neben der Brandstiftung begangenen – Versicherungsmissbrauchs zu bejahen. Es hätte vielmehr erörtern müssen, ob sich der Angeklagte stattdessen möglicherweise wegen versuchten Betruges zum Nachteil der Versicherung schuldig gemacht hat. Eine solche Tat würde zur Brandstiftung nicht nur in Tatmehrheit stehen (…) sondern ließe auch die tateinheitliche Verurteilung wegen Versicherungsmissbrauchs auf Grund der in § 265 Absatz I StGB enthaltenen Subsidiaritätsklausel entfallen (….).
Eine Strafbarkeit wegen versuchten Betruges kommt hier nach den Feststellungen schon deshalb in Betracht, weil der Angeklagte nicht nur bei der Brandlegung bereits in der Absicht handelte, Versicherungsleistungen zu erlangen, um seine desolate finanzielle Situation zu verbessern, sondern weil er sich nach der Brandstiftung auch mit 2 Schreiben an die Brandversicherung wandte, was die Strafkammer als einen Beleg für ein Handeln des Angeklagten aus rein finanziellen Gründen wertet. Ob diese beiden Schreiben lediglich der Vorbereitung des Betruges dienten oder schon ein unmittelbares Ansetzen zum Betrugsversuch darstellten (…), von dem der Angeklagte möglicherweise in der Folgezeit freiwillig zurückgetreten ist, kann der Senat anhand der vom LG getroffenen und insoweit lückenhaften Feststellungen nicht überprüfen. So wird hinsichtlich des ersten Schreibens lediglich mitgeteilt, dass der Angekl. das „Brandereignis” seiner Versicherung gemeldet habe. Der Inhalt des zweiten Schreibens wird überhaupt nicht dargelegt. Diesen Feststellungen kann somit nicht entnommen werden, ob der Angeklagte bereits Täuschungshandlungen gegenüber der Versicherung unternommen hat, um an die von ihm erstrebten Versicherungsleistungen zu gelangen. Auch ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht, warum dies letztlich gescheitert ist (…) (s.h. insgesamt: (BGH, Urteil vom 21. 9. 2011 – 1 StR 95/11 (LG Amberg)).