Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2013 zum sogenannten Deal im Strafverfahren, in der einige Leitlinien für die Instanzgerichte zum verfassungskonformen Umgang mit den Verständigungsvorschriften aufgestellt wurden, welche auch und gerade die Dokumentation des Deals betreffen, sieht der Bundesgerichtshof sich mit Rügen in der Revision im Strafverfahren konfrontiert, die beanstanden, dass diese Vorgaben missachtet wurden. Soweit ersichtlich, sind dies betreffend bislang vier Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ergangen.
Fehlende Belehrung i.S.d § 257c V StPO
In einer Entscheidung des ersten Strafsenats vom 11. April 2013 hatte eine Verständigung stattgefunden. Der Angeklagte wurde jedoch nicht i.S.d. § 257c Absatz 5 StPO über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 belehrt. In § 257c Absatz 4 heißt es, dass die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen. Da nicht in das Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommen war, dass eine entsprechende Belehrung stattgefunden hat, lag ein Rechtsfehler vor, der zur Aufhebung des Urteils führte, weil der erste Senat nicht ausschließen konnte, „dass sich der Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus § 257c Absatz 5 StPO hier in der Weise ursächlich auf das Prozessverhalten des Angeklagten ausgewirkt hat, dass er kein Geständnis und sich vielmehr gegen den Tatvorwurf verteidigt hätte, wenn er ordnungsgemäß belehrt worden wäre“ ((BGH, Beschluss vom 11.04.2013 – 1 StR 563/12)).
Keine Verständigung über Strafrahmenverschiebungen
Eine Entscheidung des fünften Senats vom 25. April 2013 führte nicht zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils. Auch hier hatte eine Verständigung stattgefunden. Dem Angeklagten wurden ausweislich der Urteilsgründe für den Fall eines Geständnisses „unter Annahme eines minder schweren Falles des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen zwei Jahren und sechs Monaten und drei Jahren und drei Monaten zugesichert“ (BGH, Beschluss vom 25.04.2013 – 5 StR 139/12). Hierin könnte ein Verstoß insofern liegen, als dass nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts Strafrahmenverschiebungen von Verfassung wegen grundsätzlich kein zulässiger Gegenstand von Verfahrensabsprachen sind (vgl. BVerfG, NJW 2013, 1058, Rn. 74, 109, 130). Der Angeklagte hatte seine Revision jedoch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und also diesbezügliche keine Verfahrensrüge erhoben, so dass die Annahme des günstigeren Strafrahmens ihn nicht beschweren konnte. „Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob das Landgericht – dann unbedenklich – bei der Verständigung die Annahme eines minder schweren Falles nicht ohnehin vorausgesetzt oder – was nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts durchgreifende verfassungsrechtliche Be-denken erwecken kann – die Annahme des minder schweren Falles von der Abgabe eines Geständnisses abhängig gemacht hat. Bereits an der Vielge-staltigkeit denkbarer Verfahrensabläufe erweist sich indessen, dass die revi-sionsrechtliche Beurteilung von Verfahrensabsprachen die Kenntnis der De-tails voraussetzt. Demgemäß muss die Beanstandung bei Anfechtung des Schuldspruchs im Rahmen einer dahingehenden Verfahrensrüge erfolgen“ (BGH, Beschluss vom 25.04.2013 – 5 StR 139/12).
Keine Mitteilung über Verständigung gemäß § 243 IV StPO
In einer anderen Entscheidung des zweiten Senats wurde gerügt, dass sich dem Protokoll entgegen § 243 IV StPO nicht entnehmen lasse, ob Erörterungen nach § 257c StPO stattgefunden haben. Die Rüge hat der Bundesgerichtshof als unzulässig angesehen, weil nicht vorgetragen wurde, dass überhaupt Gespräche mit dem Ziel einer Verständigung stattgefunden hätten. Nur in diesem Fall besteht aber nach dem Gesetz (§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO) eine Mitteilungspflicht. Dem Vortrag der Revision fehlte daher schon die Behauptung eines Rechtsfehlers (2 StR 47/13).
Wesentlicher Inhalt einer Verständigung ist festzuhalten
Bei einer weiteren Entscheidung des zweiten Senats hatte eine Verständigung während einer Verhandlungspause sattgefunden. Im Protokoll wurde der wesentliche Inhalt der Verständigung nicht festgehalten. Hierin liegt nach Auffassung des Bundegerichtshofs ein reversibler Fehler, weil „das Gesetz (§§ 243 Abs. 4, 273 Abs. 1a StPO) in der Hauptverhandlung Transparenz des Verfahrens herbeiführen will, indem dort auch der wesentliche Inhalt der Gespräche, die außerhalb der Hauptverhandlung mit dem Ziel einer Verständigung geführt werden, mitzuteilen ist; zur Ermöglichung einer effektiven Kontrolle ist dies auch in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen“ (2 StR 195/12).