Tritt das Gericht nach den Schlussvorträgen nochmals in die Hauptverhandlung ein, muss es vor der Urteilsverkündung erneut beraten (§ 260 I StPO).

Folgendes hatte sich zugetragen:

„Nachdem die Strafkammer das Urteil umfassend beraten hatte, wurde die Beweisaufnahme wieder eröffnet und ein Hinweis nach § 265 StPO erteilt.
Im Anschluss daran wurde die Beweisaufnahme erneut geschlossen. Die Verfahrensbeteiligten machten von der Gelegenheit, weitere Erklärungen zur Sache abzugeben, keinen Gebrauch, sondern nahmen lediglich auf ihre bereits gemachten Ausführungen Bezug. Sodann wurde das Urteil verkündet, ohne dass eine (erneute) Beratung stattgefunden hatte“ (BGH, Beschluss vom 9. 6. 2010 – 1 StR 187/10 (LG Stuttgart)).

Dies war aus folgenden Erwägungen rechtsfehlerhaft:

„Gemäß § 260 Absatz I StPO hat das Urteil „auf die Beratung” zu ergehen; diese muss der Urteilsverkündung unmittelbar vorausgehen. Tritt das Gericht nach den Schlussvorträgen und der Beratung wieder in die Verhandlung ein, so muss es vor der Verkündung erneut beraten. Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH grundsätzlich auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall der Wiedereintritt in die Verhandlung keinen neuen Prozessstoff ergeben hat (BGH, Beschluss vom 9. 6. 2010 – 1 StR 187/10).“

Ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler wurde seitens des BGH „ausnahmsweise“ ausgeschlossen:
„Bestätigt durch das Hauptverhandlungsprotokoll hat die Vorsitzende der Strafkammer in ihrer dienstlichen Äußerung erklärt, dass eine erneute Beratung deshalb unterblieben ist, weil nach dem Wiedereintritt in die Verhandlung von keinem der Verfahrensbeteiligten eine Äußerung erfolgt ist, die – nicht einmal in einem geringen Umfang – über die bloße Bezugnahme auf frühere Ausführungen hinaus inhaltliche Substanz gehabt hätte. Zusätzliche Erkenntnisse, die für den Straf- oder Rechtsfolgenausspruch von Bedeutung hätten sein können, ergaben sich somit aus dem weiteren Verlauf der Hauptverhandlung nicht. Für diesen Fall war nach der dienstlichen Äußerung der Vorsitzenden in der vor der Wiedereröffnung der Hauptverhandlung vorangegangenen Urteilsberatung zwischen den Mitgliedern der Strafkammer dahingehend Einigkeit erzielt worden, dass es bei dem Beratungsergebnis – einer Verurteilung des Angekl. entsprechend dem erteilten rechtlichen Hinweis – bleiben sollte, ohne dies noch einmal zu beraten. Dementsprechend haben weder die Berufsrichter noch die Schöffen vor der Urteilsverkündung den Wunsch nach einer erneuten Beratung geäußert. Es erscheint daher ausgeschlossen, dass hier ein Gerichtsmitglied zu einer anderen Entscheidung als zu der bereits umfassend vorberatenen gelangt wäre“ (BGH, Beschluss vom 9. 6. 2010 – 1 StR 187/10).