Das Oberlandesgericht Hamm hat zu der Frage Stellung genommen, ob der drohende Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung in anderer Sache strafmildernd bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist.

Gemäß § 56f I 1 Nr. 1 StGB kann die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen werden, wenn die verurteilte Person in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat.

Der Angeklagte in dem Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm war praktisch der Auffassung, das strafmildernd zu berücksichtigen sei, dass er schon einmal straffällig geworden ist, hierfür aber lediglich zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Aufgrund seiner erneuten Straffälligkeit drohe im auch der Bewährungswiderruf, was ihn besonders hart treffe.

Diese Rechtsauffassung teilte das Gericht nicht:

„Ansatzpunkt für eine Berücksichtigung des drohenden Widerrufs wäre zunächst § 46 Abs. 1 S. 2 StGB („Wirkungen, die von der Strafe … zu erwarten sind“). Diese Regelung greift aber nicht unmittelbar ein, weil der Widerruf nicht eine Auswirkung der nunmehr verhängten neuen „Strafe“ ist, sondern allein Folge des Bewährungsversagens. Der Widerruf setzt gerade nicht voraus, dass der Angeklagte wegen der neuen Tat auch bestraft wird (z.B. würde auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR ein Geständnis reichen).

Der Widerruf in anderer Sache ist gesetzliche Folge der Nichterfüllung der in den Verurteilten früher gesetzten Erwartung (§ 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB) und damit eine Korrektur der vom früheren Tatgericht angestellten Legalprognose. Warum der Angeklagte insoweit zwingend besser stehen sollte, weil er eine frühere Bewährungschance nicht genutzt hat, als ein anderer Täter, dem eine solche Bewährungschance erst gar nicht eingeräumt, sondern der im Rahmen des vorangegangenen Verfahrens gleich zu einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe verurteilt  worden ist, erschließt sich nicht ohne weiteres. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass zum Zeitpunkt der Verurteilung noch gar kein Widerruf erfolgt ist, dieser also lediglich droht. Es würde also ein Umstand in der Strafzumessung berücksichtigt, dessen tatsächlicher Eintritt ungewiss ist. Eventuell führt dies sogar dazu, dass zunächst der drohende Widerruf bei der Strafzumessung mildernd berücksichtigt wird und später im Widerrufsverfahren von einem Widerruf abgesehen wird, wenn die neue Strafe bereits vollstreckt und der Verurteilte schon wieder aus der Strafhaft entlassen worden ist (…). Der betroffene Straftäter würde dann gleich zweifach begünstigt“ (Oberlandegericht Hamm, Beschluss vom  3. Januar 2013, Az.: III-1 RVs 90/12).

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