Einige Zeit waren Teile Hamburgs von der Polizei wieder einmal zum Gefahrengebiet deklariert worden. Grund hierfür waren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Demonstrationen, die ihren vorläufigen Höhepunkt am 21. Dezember 2013 erreichten, widmeten sich vornehmlich den Themen: „Erhalt des linken Kulturzentrums „Rote Flora““ sowie „Bleiberecht für die Lampedusa-Flüchtlinge“. Eine Woche hiernach soll es nach Angaben der Polizei in der Nähe der Davidwache auf der Reeperbahn zu Angriffen Linksradikaler auf Beamte gekommen sein.

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen der Demonstranten war seit der Einrichtung des Gefahrengebiets in den Medien deutlich in den Hintergrund gerückt. Diskutiert wird seither über das Für und Wider eines solchen Gefahrengebiets.

Viele Hamburger verliehen ihrem Unmut über die Maßnahmen in friedlichen Demonstrationen Ausdruck. Dabei spielte auch eine Klobürste eine Rolle, die in den Drogeriemärkten der Stadt auf große Nachfrage stieß. Hintergrund ist ein Bericht in einer ARD-Nachrichtensendung, in dem ein Polizist in voller Kampfmontur einem Unbekannten, der mit erhobenen Händen an einem Bus steht, eine Klobürste aus dem Hosenbund zieht. Seither gehört das Sanitärutensil bei vielen Protestlern unter dem Motto „St. Pauli bleibt widerborstig“ zur Standardausrüstung.

Die Ausweisung als Gefahrengebiet kann sich – bei entsprechenden Gefährdungslagen – jederzeit wiederholen. Man denke z.B. an den bevorstehenden 01. Mai.

Doch was bedeutet das eigentlich: Gefahrengebiet? Was darf die Polizei in einem solchen Gebiet? Braucht sie für ihre Kontrollen einen konkreten Verdacht? Was kann ich tun, wenn ich kontrolliert wurde?

Was ist ein Gefahrengebiet?

Die Polizei darf seit dem Jahr 2005 einzelne Hamburger Teile zu Gefahrengebieten deklarieren. Seit diesem Jahr heißt es in § 4 Absatz 2 Satz 1 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG):

„Die Polizei darf im öffentlichen Raum in einem bestimmten Gebiet Personen kurzfristig anhalten, befragen, ihre Identität feststellen und mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen, soweit auf Grund von konkreten Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass in diesem Gebiet Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden und die Maßnahme zur Verhütung der Straftaten erforderlich ist.“

Es handelt sich bei der Umsetzung dieser Vorschrift (am ehesten) um eine innerbehördliche Weisung: Die Einsatzbeamten werden von ihrem Vorgesetzten angewiesen, in einem deklarierten Gebiet die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Absatz 2 Sat 1 PolDVG anzunehmen.

Eine richterliche Anordnung zur Ausweisung als Gefahrengebiet ist also nicht erforderlich. Die Gefahrengebietszone müsste aufgrund der Rechtsnatur der Vorschrift nicht einmal öffentlich bekannt gegeben werden. Weil die Maßnahme jedoch der Gefahrenabwehr dienen soll, wird die Polizei – wie hier – das Gebiet, welches sie nunmehr als „gefährlich“ einstuft, vorher öffentlich machen.

Zeitliche und örtliche Beschränkungen der Gefahrenzonen sieht das Gesetz nicht vor. Das gesamte Polizeirecht steht jedoch unter dem Diktat der Verhältnismäßigkeit. Dies findet in § 4 Absatz 2 Satz 1 PolDVG Ausdruck durch die Forderung nach der „Erforderlichkeit“ der Maßnahme. Das war auch der Grund für die Beschränkung des aktuellen Gebietes auf einzelne Gefahreninseln.

Skyline von Hamburg in schwarz-weiß

Was darf die Polizei innerhalb des Gefahrengebiets?

Die Polizei ist ermächtigt, ohne Vorliegen eines konkreten Verdachts, eine Person kurzfristig anzuhalten, sie nach ihrer Identität zu befragen, diese festzustellen und mitgeführte Sachen in Augenschein zu nehmen. Die Inaugenscheinnahme beschränkt sich allerdings auf die Betrachtung der mitgeführten Sachen.

Die Vorschrift ist nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg aus dem Jahre 2012 nur dann verfassungskonform, wenn sie restriktiv ausleget wird. Eine Durchsuchung setzt nach allgemeinem Polizeirecht normalerweise eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung voraus. Da eine solche Gefahr, die von einer bestimmten Person oder Personengruppe ausgeht nach der Deklaration als Gefahrengebiet keine Tatbestandsvoraussetzung mehr ist, muss die Polizei sich bei der Umsetzung des § 4 Absatz 2 Satz 1 PolDVG zurückhalten: Ein Abtasten oder der Einsatz von Spürhunden ist beispielsweise nicht erlaubt. Zulässig wäre jedoch das Hineinleuchten mit einer Taschenlampe in einen Rucksack auf der Suche nach gefährlichen Gegenständen.

Andere Maßnahmen, wie die körperliche Durchsuchung, die Erteilung eines Platzverweises oder Aufenthaltsverbotes sind an weitere Tatbestandsvorrausetzungen geknüpft und von § 4 Absatz 2 Satz 1 PolDVG alleine nicht gedeckt.

Wie kann ich mich gegen eine Polizeikontrolle wehren?

In der konkreten Situation sollte man sich ruhig verhalten, um Weiterungen zu verhindern. Gegen die konkrete Maßnahme kann dann im Nachhinein vor dem Verwaltungsgericht geklagt werden. Eine Entscheidung ergeht allerdings erst Wochen später. Hier wird lediglich festgestellt, ob die Maßnahme rechtswidrig, weil unverhältnismäßig war, oder nicht.

Gegen § 4 Absatz 2 Satz 1 PolDVG wurde bereits geklagt. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat die Norm insgesamt bei restriktiver Auslegung für verfassungskonform gehalten. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt. Diese hängt derzeit beim Oberverwaltungsgericht.

Überlegenswert wäre es, gegen die innerbehördliche Ausweisung als Gefahrengebiet zu klagen. Eine solche Weisung ist nämlich nicht alleine dem innerbehördlichen Entscheidungsprozess zuzuordnen, sondern entfaltet faktische Außenwirkung dadurch, dass jeder Bürger, der sich innerhalb des Gefahrengebiets bewegt, Gefahr läuft, kontrolliert zu werden: Er ist mindestens in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit beeinträchtigt, wenn er überlegen muss, ob er den schwarzen Kapuzenpullover oder besser sein rosa Poloshirt überstreift, um nicht Gefahr zu laufen, kontrolliert zu werden.

Und ja, auch die Frage, ob der dringende Einkauf einer neuen Klobürste verschoben werden muss, weil diese sichtbar aus der Einkaufstüte herausragt und den Einkäufer als vermeintlichen Linksradikalen entlarvt, beeinträchtigt das genannte Grundrecht.