Das Kammergericht (KG) in Berlin hat sich in einer Entscheidung vom 01.11.2010 mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Verurteilte einen Anspruch darauf hat, vor Vollstreckung einer Freiheitsstrafe angehört zu werden, wenn die Voraussetzungen des § 116b S. 2 Strafprozessordnung (StPO) gegeben sind. Nach § 116b S. 2 StPO, der seit dem 01.10.2010 geltendes Recht ist, geht die Vollstreckung anderer freiheitsentziehender Maßnahmen, wie z.B. Strafhaft der Vollstreckung von Untersuchungshaft vor, es sei denn, das Gericht trifft eine abweichende Entscheidung, weil der Zweck der Untersuchungshaft dies erfordert.

Das KG hat wie folgt entschieden:

„Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch darauf, vor Einleitung der Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe angehört zu werden. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus der neuen gesetzlichen Regelung des § 116b S. 2 StPO. Diese schreibt vielmehr gesetzlich fest, dass nunmehr die Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe von Gesetzes wegen der Vollstreckung von Untersuchungshaft vorgeht. Diese Folge tritt automatisch mit dem Eingang des Aufnahmeersuchens in der JVA ein. Nur wenn der Zweck der Untersuchungshaft dies erfordert, was nur bei besonderen Gefahren, insbesondere der Verdunkelungsgefahr angenommen werden darf (…), kann das für die Untersuchungshaft zuständige Gericht eine abweichende Entscheidung – nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten – jederzeit treffen.

Eine solche Konstellation ist hier nicht ersichtlich, es gab somit auch keinen Grund, eine Entscheidung des für die Untersuchungshaft zuständigen Gerichts gezielt herbeizuführen oder dieses hierzu auch nur anzuhören. Das Gesetz sieht außer dem genannten keinen anderen Grund vor, der es dem Gericht nach § 116b S. 2 StPO gestattete, dem Vorrang einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe zu widersprechen. Ein Ermessensspielraum der StA ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut und Sinn des § 116b S. 2 StPO ohnehin nicht. Denn der Gesetzgeber hat den Vorrang der Vollstreckung der Freiheitsstrafe gegenüber der Untersuchungshaft festschreiben wollen, weil es bei letzterer dazu kommen kann, dass sie nicht in eine rechtskräftige Verurteilung mündet (vgl. BR-Dr. 829/08, S. 30). Nur die Unterbrechung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zugunsten der Untersuchungshaft setzt künftig immer eine richterliche Anordnung voraus (vgl. BR-Dr. 829/08, S. 30), nicht aber die umgekehrte Konstellation, die im Streitfall gegeben ist (KG, Beschluss vom 1. 11. 2010 – 2 Ws 551/10)“.

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