Das Landgericht Bonn hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen zu insgesamt vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lag unter anderem ein Sachverständigengutachten zugrunde, welches auf einem Explorationsgespräch der Geschädigten unter Anwesenheit der Mutter erstattet wurde. In der Hauptverhandlung wurden die Angaben weitgehend bestätigt, wobei allerdings „wie schon bei der Sachverständigen kaum ein Bericht in freier Rede zu erhalten“ war. Die Verteidigung stellte daraufhin den Antrag ein weiteres aussagepsychologisches Gutachten zur Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten einzuholen. Mehrere Mängel des Gutachtens wurden aufgezeigt, z.B. Suggestivfragen, die Auswirkungen auf das Aussageverhalten der Geschädigten in der Hauptverhandlung haben könnten. Das Landgericht lehnte den Beweisantrag ab; es verfüge nach § 244 Absatz 4 Satz 1 StPO selbst über die erforderliche Sachkunde. Die Glaubhaftigkeit von Zeugen sei Aufgabe des Gerichts. Ein aussagepsychologisches Gutachten könne lediglich eine zusätzliche Entscheidungshilfe sein. In den Urteilsgründen hat das Landgericht zwar die Aussage der Geschädigten gewürdigt, allerdings nicht dargelegt woraus es die eigene Sachkunde annimmt, sondern lediglich erklärt, die Sachverständige sei erfahren und habe durch die Exploration und die verfolgte Hauptverhandlung den Schluss gezogen, das Geschilderte sei als erlebnisfundiert zu bezeichnen. „Dem Schließt sich die Kammer nach eigner Prüfung aus den dargelegten Gründen an“.

Der Bundesgerichtshof hat dies in einem veröffentlichten Beschluss im 55. Band der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (BGH St 55, S. 5 ff) als rechtsfehlerhaft angesehen. Er führt aus: „ Der Beweisantrag der Verteidigerin hat substantiiert methodische Mängel des Erstgutachtens und deren mögliche, nach aller Erfahrung sogar naheliegende Folgewirkungen für die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung dargelegt. Wenn der Tatrichter die Frage der Mangelhaftigkeit des Gutachtens nicht offen lassen wollte, hätte er sich in dem ablehnenden Beschluss mit den Argumenten des Antrags im Einzelnen auseinander setzen müssen. Wenn er hierauf verzichtete, durfte er seine Beweiswürdigung in den Urteilsgründen nicht gerade auch auf das Gutachten stützen… Die Urteilsgründe, die sich auch auf das Gutachten stützen, ohne die von der Verteidigung zu Recht problematisierte, wissenschaftlichen Standards kaum entsprechende suggestive Befragungstechnik zu thematisieren, stehen damit im Widerspruch zur Ablehnung des Beweisantrags“.