Ein Rechtsanwalt war mit der Verhandlungsführung eines Richters nicht einverstanden. Dies teilte er dem Richter mit, indem er ihm unterstellte, dieser vertrete Auffassungen, wie sie zuletzt in den Nürnberger Rassegesetzen vertreten worden seien. Das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen hat hierin eine Beleidigung gefunden und seine Auffassung wie folgt begründet:
Beleidigung i.S.d. § 185 StGB Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung
„Die Beleidigung setzt einen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung voraus (…). Die Äußerung des Angeklagten, „Sie werden diesen Satz nicht über Ihre Lippen bringen, weil er gegen ihre Auffassungen verstößt. Sie vertreten hier Auffassungen, die in diesem Staat zuletzt 1934 mit den Nürnberger Rassegesetzen vertreten worden sind“, erfüllt den Tatbestand der Beleidigung. … Die Äußerung des Angekl. unterstellt dem Zeugen (dem erkennenden Richter in einem Abschiebungsverfahren, den der Angeklagten, ein Rechtsanwalt, in diesem vertrat (…) dass dieser die im höchsten Maße menschenverachtende Auffassung der Nationalsozialisten teile. Dabei handelt es sich ohne Zweifel um einen schwerwiegenden Angriff auf die Ehre und einen kaum hinnehmbaren Ausdruck der Missachtung“ (OLG Bremen, Beschl. v. 28. 6. 2013 – 2 Ss 35/13).
Keine Wahrnehmung berechtigter Interessen i.S.d. § 193 StGB
„Die genannte Äußerung ist auch nicht gem. § 193 StGB im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Interessen des als Rechtsanwalt tätigen Angeklagten gerechtfertigt gewesen. Denn durch § 193 StGB in keinem Fall gedeckt sind herabsetzende Äußerungen, zu denen der Verfahrensbeteiligte oder der Verfahrensablauf keinen Anlass gegeben haben und die in keinem Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung stehen (…). Dies gilt insbesondere für die Ausübung von sog. Schmähkritik, die in spezifischer Weise dadurch gekennzeichnet ist, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (…). Wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil in zutreffender Weise festgestellt hat, fand das tatgegenständliche Geschehen vor der eigentlichen Anhörung im Flur vor dem Richterzimmer statt, so dass der dienstliche Bezug dieses Aufeinandertreffens zumindest gelockert gewesen ist. Entscheidend ist aber in diesem Zusammenhang, dass der Angeklagte durch seine mehrfache Aufforderung an den Zeugen, ihm den Satz nachzusprechen, der Betr. als Afrikaner sei berechtigt, eine deutsche Frau zu „ficken“ (bzw. zu „vögeln“) und ihr ein Kind zu machen, die Ebene der Sachlichkeit vollständig verlassen hatte. Ein derartiges Gebaren eines Rechtsanwaltes, dessen Verhalten mit Rücksicht auf seine besondere Stellung als Organ der Rechtspflege „zurückhaltend, ehrenhaft und würdig“ sein sollte (…), ist unter keinen Umständen hinnehmbar. Im Kern ging es bei den Äußerungen des Angeklagten nicht mehr um die Rechtmäßigkeit der Festnahme seines Mandanten, sondern ersichtlich um die vermeintliche Einstellung des Zeugen zu Geschlechtsverkehr zwischen Menschen unterschiedlicher Nationalität. Dies liegt neben der Sache und hat mit dem eigentlichen Streitgegenstand, nämlich der bevorstehenden Verhandlung über den Sicherungshaftantrag, nichts mehr zu tun“ (OLG Bremen, Beschl. v. 28. 6. 2013 – 2 Ss 35/13).