Heute mal eine Entscheidung eines Amtsgerichts, genauer des Amtsgerichts Rudolstadt.
Der anwaltliche Beistand eines Zeugen hatte Akteneinsicht beantragt. Akteneinsicht ist einem anwaltlichen Beistand eines Zeugen jedoch ohnehin nicht zu gewähren. Nur unter der Voraussetzung, dass der Zeuge gleichzeitig Verletzter der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat ist, hat dieser ein Akteneinsichtsrecht, sofern kein Versagungsgrund vorliegt (§ 406e StPO).
Ob es sich im vorliegenden Fall um einen solcherart privilegierten Zeugen handelt, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. Macht aber auch nichts, weil das Ergebnis gefällt.
Dem Zeugenbeistand wurde nämlich die Akteneinsicht aufgrund der Gefährdung des Untersuchungszwecks verweigert. Die Begründung:
„Dem anwaltlichen Zeugenbeistand steht im Gegensatz zu dem Verteidiger (…) ein eigenes Recht auf Akteneinsicht nicht zu (…). Seine Rechtsstellung leitet sich aus der des Zeugen ab. Er hat keine eigenen Rechte als Verfahrensbeteiligter und keine weitergehenden Befugnisse als der Zeuge selbst.
Schon im Hinblick auf die Unbefangenheit bei der bevorstehenden Vernehmung wäre es nicht sachgerecht, der Zeugin eine Vorbereitung ihrer Aussage durch Akteneinsicht zu ermöglichen. Der Versagungsgrund der Gefährdung des Untersuchungszwecks liegt schon dann vor, wenn durch die Akteneinsicht die Sachaufklärung beeinträchtigt sein könnte. Wichtigster Fall ist die Gefahr, dass die Kenntnis vom Akteninhalt die Unbefangenheit, die Zuverlässigkeit oder den Wahrheitsgehalt einer noch zu erwartenden Zeugenaussage beeinträchtigen sowie damit den Beweiswert der Aussage des Zeugen durch unbewusste oder bewusste Anpassung der Aussage gemäß dem aktenkundigen Stand der Beweislage mindern könnte. Erlaubte man der Zeugin die Akteneinsicht, wäre nicht mehr nachvollziehbar, ob sie den Sachverhalt unbefangen aus ihrer Erinnerung oder aufgrund der – ihr von ihrem Beistand vermittelten – Aktenlage darstellt. Die daraus resultierende Gefahr der Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung kann regelmäßig nicht hingenommen werden (…).
Wie § 58 Absatz 1 StPO belegt, ist die Unvoreingenommenheit des Zeugen für die Wahrheitsfindung von großer Bedeutung. Außerdem ist für die Glaubhaftigkeit die Übereinstimmung mit anderen Zeugenaussagen und Sachindizien wichtig, diese Wahrheitskriterien stehen aber nur bei Unkenntnis des Zeugen vom Akteninhalt zur Verfügung (…). Es entspricht nämlich aussagepsychologischer Erfahrung, dass der die Wahrheitsfindung trübenden Anpassung von Zeugenaussagen an anderweitige Beweisergebnisse am wirkungsvollsten dadurch vorgebeugt werden kann, dass der Zeuge allein auf sein eigenes Wissen verwiesen und von einer – sei es zufälligen, sei es planmäßigen – Interferenz mit anderen Beweisergebnissen abgeschnitten wird. Eine Einsicht in die vollständigen Akten verbietet sich jedenfalls dann, wenn kein Geständnis des Angeklagten vorliegt und der Zeuge – wie hier – in der Hauptverhandlung zu einem für die Urteilsfindung essentiellen Beweisthema gehört werden soll, bereits grundsätzlich“ (AG Rudolstadt, Beschluss vom 21.08.2013 – 760 Js 4348/13 1 Ls).
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