Noch schlechter, als im hier vorgestellten Fall ist es dem Nebenklagevertreter im Folgenden gegangen:
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
„Nach den insoweit getroffenen Feststellungen fasste der Angeklagte der Nebenklägerin im Verlauf einer Rangelei mit einer Hand an ihre linke Halsseite und drückte während einer kurzen Zeit mit 2 Fingern mit einiger Kraft dagegen. Damit wollte er erreichen, dass sie aufhörte, ihn zu kratzen, und sie dafür bestrafen, dass sie sich über ihn lustig gemacht und ihn beleidigt hatte; töten wollte er sie nicht. Die Nebenklägerin erlitt 2 dicht beieinander befindliche Hämatome an der linken Halsseite. Die rechtsmedizinische Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass es sich nicht um „klassische” Würgemale handele, vielmehr seien die Hämatome durch einfachen Druck gegen den Hals mit einer Hand verursacht worden. Der ausgeübte Druck sei zu gering gewesen, um eine Halsschlagader zu verschließen oder eine Unterbrechung der Luftzufuhr zu bewirken. Zwar könne auch eine Kompression der Halsweichteile, selbst wenn sie nicht zu einem Verschluss der Halsgefäße geführt habe, potenziell lebensgefährlich sein; dies erfordere aber eine längere Einwirkung auf bestimmte, im Hals verlaufende Nervenbahnen. Diesen Ausführungen hat sich das Landgericht angeschlossen“ (BGH, Beschluss vom 28. 9. 2010 – 4 StR 442/10 (LG Magdeburg)).
Die Nebenklage war offensichtlich mit dem Urteil (gefährliche Körperverletzung) nicht einverstanden. Sie beanstandete, dass nach den getroffenen Feststellungen der Schuldspruch auf versuchte Tötung hätte lauten müssen. Dies hätte sie besser nicht getan.
Auf die Revision des Nebenklagevertreters nämlich änderte der Bundesgerichtshof den Schuldspruch in einfache Körperverletzung um. § 265 StPO (fehlender rechtlicher Hinweis) stand der Schuldspruchänderung hier nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs zieht angesichts des gegenüber § 224 StGB (gefährliche Körperverletzung) milderen Strafrahmens des § 223 StGB (einfache Körperverletzung) die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Der Senat machte sogar von der Möglichkeit des § 354 Absatz III StPO Gebrauch und verwies die Sache an das Amtsgericht – Strafrichter zurück, da dessen Strafgewalt ausreichte.
Dies hat sich der Nebenklagevertreter sicherlich anders vorgestellt. Es empfiehlt sich, neben den Chancen einer Revision immer auch alle Risiken zu berücksichtigen.
Besonders verwunderlich ist zudem, dass der Vertreter des Angeklagten sich nicht berufen fühlte, gegen das Urteil Revision einzulegen. Hätte der Nebenklagevertreter nicht – getrieben von falschem Ehrgeiz – das Rechtsmittel eingelegt, wäre das (falsche) Urteil rechtskräftig geworden.
Der Bundesgerichtshof konnte den Schuldspruch ändern, obwohl die Revision des Nebenklagevertreters zu Lasten des Angeklagten eingelegt wurde, weil gemäß § 301 StPO jedes Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und – in entsprechender Anwendung – der Nebenklage, die Wirkung hat, dass die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.
Der BGH führte in seiner Urteilsbegründung folgendes aus: „Diese Feststellungen tragen die Annahme einer vorsätzlichen Körperverletzung, nicht jedoch die einer gefährlichen Körperverletzung in der Tatbestandsvariante der lebensgefährdenden Behandlung i.S. des § 224 Absatz I Nr. 5 StGB.
Zwar kann festes Würgen am Hals geeignet sein, eine Lebensgefährdung herbeizuführen; es reicht hierfür jedoch nicht jeder Griff an den Hals aus, der zu würgemalähnlichen Druckmerkmalen oder Hämatomen führt (…). Von maßgeblicher Bedeutung sind vielmehr Dauer und Stärke der Einwirkung, die zwar nicht dazu führen muss, dass das Opfer der Körperverletzung tatsächlich in Lebensgefahr gerät, aber abstrakt geeignet sein muss, das Leben des Opfers zu gefährden (…). Die vom Landgericht zu Intensität und Dauer der Einwirkung auf den Halsbereich der Nebenklägerin getroffenen Feststellungen belegen eine solche Eignung nicht: Danach war die Einwirkung zu schwach, um eine Unterbrechung der Blutzirkulation oder der Luftzufuhr zu bewirken, und zu kurz, um wichtige Nervenbahnen so zu schädigen, dass dadurch ein Herzstillstand eintreten konnte“ (BGH, Beschluss vom 28. 9. 2010 – 4 StR 442/10 (LG Magdeburg)).