Das Landgericht Berlin hat in einem Urteil fehlerhaft den minder schweren Fall eines Totschlags verneint. Auf die Revision des Rechtsanwalts hat der BGH das Urteil in einem Beschluss vom 28.09.2010 aufgehoben und einer anderen Kammer des Landgerichts Berlin zur Entscheidung vorgelegt (BGH – 5 StR 358/10).
Folgendes hatte sich zugetragen:
„Der 33-jährige Angeklagte hatte die später Getötete, die 27 Jahre alte L, kurz vor der Tat kennengelernt und sofort Gefallen an ihr gefunden. Seine Annäherungsversuche wies sie mehrfach deutlich zurück. Am Tag und Abend vor der Tat hatten der Angeklagte und L mit dem Zeugen W in dessen Wohnung einige Biere, etwas Wein und eine von L gegen Mitternacht an einem nahe gelegenen Imbiss gekaufte Flasche Wodka getrunken. Als der Zeuge W das Zusammensein beenden und schlafen gehen wollte, kam es zu einer Auseinandersetzung. Deswegen ging L gemeinsam mit dem Angeklagten in dessen im selben „Plattenbau” gelegene Wohnung. Dort entwickelte sich kurz darauf ein Streit zwischen dem Angeklagten und der „unter Alkoholeinfluss rasch wütend werdenden” L, weil diese eine finanzielle Beteiligung an der von ihr bezahlten, gemeinsam genossenen Flasche Wodka forderte. Obgleich der Angeklagte ihr „eine Art Schuldschein” über den geforderten Betrag ausstellte, beruhigte sich L nicht. Sie schlug dem Angeklagten im Verlaufe des weiteren Streits zunächst ins Gesicht, woraufhin dieser sie kräftig zu Boden stieß; später versetzte sie ihm einen Tritt in den Unterleib. „In der Folge beschloss der Angeklagte spontan, L zu töten. Er packte sie mit beiden Händen am Hals und würgte sie bis zur Bewusstlosigkeit”. Dann schleifte er die noch schwach atmende Frau ins Badezimmer, holte ein Küchenmesser aus dem Wohnzimmer und stach es ihr dreimal „wuchtig bis zum Anschlag” ins Herz. Anschließend versuchte er, die Leiche mit einem Messer in kleinere Stücke zu zerteilen, um ihren Abtransport in ein Versteck zu erleichtern. Dies gelang ihm letztlich nicht. Später verbarg er die Leiche in einem Heizungsschacht im Keller des von ihm bewohnten Mehrfamilienhauses. Dort wurde sie 12 Tage später gefunden“ (BGH – 5 StR 358/10).
Das Landgericht Berlin verurteilte den Angeklagten wegen Totschlags unter Einbeziehung der Strafen aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren und 2 Wochen. Einen minder schweren Fall eines Totschlags, der im Vergleich zu einem „normalen“ Totschlag einen wesentlich geringeren Strafrahmen aufweist (ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe), hat das Landgericht nicht angenommen. Ein minder Fall eines Totschlags i.S.d. § 213 StGB ist anzunehmen, wenn der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen wurde.
Hierzu der BGH:
„Zunächst ist die Begründung, mit der das Schwurgericht eine Anwendbarkeit des § 213 StGB verneint, nicht rechtsfehlerfrei. Soweit es zu Lasten des Angeklagten darauf abstellt, er habe die Tat „aus nichtigem Anlass” begangen, wird erst im Rahmen der Ausführungen zur Strafzumessung deutlich, dass das Gericht als solchen sowohl den angegebenen Streit wegen der Bezahlung der letzten Flasche Wodka als auch eine „denkbare” Zurückweisung durch das Opfer nach einem Annäherungsversuch des Angeklagten sieht. Unmittelbarer Anlass der Tat waren indes die von der Getöteten ausgehenden Gewalttätigkeiten gegen den Angeklagten, die geeignet waren, ihn in besonderem Maße zu demütigen (Tritt in den Unterleib). Dass diese wiederum durch sexuelle Annäherungsversuche des Angeklagten veranlasst wurden, hat das Schwurgericht nicht festzustellen vermocht.
Darüber hinaus ist (…) zu besorgen, dass das Schwurgericht einen falschen Maßstab für die Prüfung des Merkmals „auf der Stelle zur Tat hingerissen” angewendet hat. Es hat entscheidend darauf abgestellt, dass die letztlich zum Tode führende Handlung – die Messerstiche – erst nach dem Verbringen des Opfers in das Bad erfolgt sei und mithin keine unmittelbare Reaktion auf die Provokation darstelle. Maßgebend ist indes nicht, ob sich die Tat als „Spontantat” darstellt; vielmehr kommt es darauf an, ob der durch die Provokation hervorgerufene Zorn noch angehalten und den Angeklagten zu seiner Tat hingerissen hat (…). Das liegt hier nicht gänzlich fern, zumal das Schwurgericht das festgestellte Tatgeschehen als einen einheitlichen Vorgang gewertet hat“ (BGH – 5 StR 358/10).