Der Bundesgerichtshof hat auf eine Revision der Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Bielefeld kundgetan, dass die Furcht vor drohender Entdeckung der Tat der Annahme von „Freiwilligkeit“ der Tataufgabe i.S.d. § 24 StGB nur dann entgegensteht, wenn es dem Täter überhaupt darauf ankam, seine Tat heimlich zu begehen.

Die Angeklagte war vom Landgericht Bielefeld zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen Totschlags verurteilt worden. Dem Urteil liegt folgendes Tatgeschehen zu Grunde:

„Nach den Feststellungen suchte die Angeklagte die Nebenklägerin – die neue Freundin ihres Ehemannes – in deren in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung auf; sie versetzte der Nebenklägerin mit einem Beil einen mit erheblicher Wucht ausgeführten Schlag auf den Hinterkopf, als diese sich zum Wohnzimmertisch herunterbeugte, um den Hausschlüssel an sich zu nehmen. Weitere Schläge mit dem Beil gegen den Kopf der Zeugin, ihren Nacken, ihre Schulter und die rechte Seite der Brust folgten. Als es plötzlich im Haus laut wurde, weil ein Hund im Treppenhaus bellte und anschließend eine Wohnungstür laut ins Schloss fiel, schreckte die Angeklagte zusammen; sie schrie die Nebenklägerin an, dass diese sie jetzt anzeigen und man ihr die Kinder wegnehmen werde. Nachdem die Zeugin ihr versichert hatte, dies nicht zu tun, steckte die Angeklagte das Beil ein und verließ den Tatort“ (BGH, Beschluss vom 17. 3. 2011 – 4 StR 83/11 (LG Bielefeld)).

Nach Auffassung des BGH begegnete die Ablehnung des strafbefreienden Rücktritts vom Totschlagsversuch durchgreifende Bedenken:

„Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei den Tötungsvorsatz aus der außerordentlichen Gefährlichkeit der Schläge mit dem Beil auf den Hinterkopf, den Nacken und den Oberkörper des Opfers gefolgert. Einen Rücktritt vom Versuch des Totschlags hat es verneint, weil die Angeklagte die weitere Tatausführung des unbeendeten Versuchs nicht freiwillig aufgegeben habe. Sie habe nicht aus selbst gesetzten Motiven, sondern wegen der äußeren Umstände gehandelt; wegen der Geräusche habe sie befürchtet, entdeckt worden zu sein und angezeigt zu werden. Diese Angst der Angeklagten vor möglicher Entdeckung schließe die Freiwilligkeit aus, da für sie keine Abwägungsmöglichkeit mehr zwischen Tatvollendung und Rücktritt verblieben sei.“ Diese Ausführungen waren rechtsfehlerhaft. Der Generalbundesanwalt hatte in seine Antragschrift hierzu folgendes ausgeführt:

„Für die Frage der ‚Freiwilligkeit’ des Rücktritts ist entscheidend, ob der Täter von der weiteren Tatausführung absah, obwohl er subjektiv noch in der Lage gewesen wäre, das zur Vollendung der Tat Notwendige zu tun, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden war, die Tat zu vollbringen (…). Hätte die Angeklagte wegen der Befürchtung, eine dritte Person werde hinzukommen, keine Möglichkeit mehr gesehen, ihr Vorhaben mit Erfolg zu verwirklichen, läge ein freiwilliger Rücktritt nicht vor (…). Die von der Kammer angenommene Angst vor drohender Entdeckung steht der Freiwilligkeit nicht grundsätzlich entgegen, es kommt vielmehr darauf an, ob es dem Täter überhaupt auf Heimlichkeit der Tat ankam bzw. ob sich aus seiner Sicht aufgrund der äußeren Umstände zumindest das von ihm für entscheidend angesehene Risiko der Entdeckung beträchtlich erhöht hat (…).

Hierzu hat die Kammer keine ausreichenden Feststellungen getroffen und insbesondere nicht erkennbar berücksichtigt, dass

  • die Geräusche im Flur keine Reaktion auf Hilferufe der Geschädigten waren, weil diese nicht um Hilfe gerufen hat,
  • sich das Tatgeschehen in der geschlossenen Wohnung des Opfers abgespielt hat, so dass keine unmittelbare Hilfe zu erwarten war,
  • nach dem Hundegebell und dem anschließenden Zuschlagen einer Tür keine weiteren Umstände auf ein etwaiges bevorstehendes Einschreiten dritter Personen hindeuteten (tatsächlich konnte die Angeklagte sofort anschließend das Haus unbehelligt verlassen),
  • die Angeklagte die erwartete Anzeige eben nicht durch Tötung des Opfers zu unterbinden suchte; gerade das Absehen von der Tatvollendung war vorliegend am wenigsten geeignet, Entdeckung und Bestrafung zu verhindern“ (BGH, Beschluss vom 17. 3. 2011 – 4 StR 83/11 (LG Bielefeld)).

Diesen Ausführungen schloss sich der vierte Strafsenat an. Die Frage, ob die Angeklagte strafbefreiend vom Totschlagsversuch zurückgetreten ist, bedurfte von daher neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung. Das Urteil wurde aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

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