Der Bundesgerichtshof hat auf eine Revision gegen ein Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach zu den Tatbestandsvoraussetzungen „gefährliches Werkzeug“ und „hinterlistiger Überfall“ i.S.d. § 224 StGB Stellung genommen (BGH, Urteil vom 15. 9. 2010 – 2 StR 395/10 (LG Bad Kreuznach)).

Folgender Sachverhalt liegt dem Urteil zugrunde:

„Nach den Feststellungen des Landgerichts forderte der Geschädigte B von der Angeklagten M, die mit ihrem Ehemann zusammen einen Motorradhandel betrieb, nach einem fehlgeschlagenen Motorradkauf eine bereits geleistete Anzahlung von 10000 € zurück. Nach Erstattung dieses Betrages wollte B davon einen Teilbetrag wegen eines gegen ihn gerichteten Schadensersatzbegehrens an den Motorradclub „X” i.H.v. 5000 € weiterleiten. Die Angeklagte M wollte aber dem Geschädigten B die Anzahlung nicht erstatten. Der Angeklagte L als „Präsident” der „Y” wiederum sann auf Rache gegen B wegen einer vermeintlichen Schmähung von Vereinsmitgliedern. Die Angeklagten M und L entschlossen sich daher, B unter dem Vorwand einer Besprechung mit der Angeklagten M über die Modalitäten der Rückerstattung seiner Anzahlung auf den Motorradkauf außerhalb der üblichen Geschäftszeiten in deren Geschäftsräume zu locken, wo ihm der Angeklagte L zusammen mit den weiteren Mittätern Me und S auflauern und ihn überfallen sollten: L, Me und S sollten ihn durch Anwendung von Gewalt zwingen, seine Forderung fallen zu lassen. Dazu sollte B ein von der Angeklagten M vorbereitetes Schriftstück unterzeichnen. Danach sollte die Angeklagte M einen Teilbetrag der Anzahlung an den Rockerclub weiterleiten und den Restbetrag für sich behalten dürfen. Bei der Ausführung dieses Plans durch L, Me und S schlug der sich versteckt haltende Me dem Geschädigten aus einer Tür heraus überraschend auf den Kopf. S schlug sodann das zu Boden gegangene Opfer mit Billigung von L und Me mit einem Teleskopschlagstock auf den Rücken und die Schulter. Der Angeklagte L trat mit festen Turnschuhen gegen Kopf und Rücken des Opfers. B erlitt im Verlauf des Geschehens erhebliche Verletzungen und zwar auch im Gesicht. Er sah sich unter dem Eindruck dieser Gewalt dazu gezwungen, das ihm vorgelegte Schriftstück zu unterzeichnen ohne es zu lesen. In der Folgezeit machte er seinen Rückzahlungsanspruch gegen die Angeklagte M nicht mehr geltend.

Das Landgericht hat den Angeklagten L wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall 1) und wegen Anstiftung zum Diebstahl (Fall 2) unter Einbeziehung der Strafe aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten, die Angeklagte M wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Dagegen richtete sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Mit dem zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Rechtsmittel erstrebte die Beschwerdeführerin die Aufhebung des Urteils bezüglich des Angeklagten L im Schuld- und Strafausspruch zu Fall 1 und im Ausspruch über die Gesamtstrafe, bezüglich der Angeklagten M im Schuldspruch insoweit, als sie nicht wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilt wurde, sowie im Strafausspruch“ (BGH, Urteil vom 15. 9. 2010 – 2 StR 395/10 (LG Bad Kreuznach)).

Das Rechtsmittel war begründet.

„Das Landgericht hat im Fall des Angeklagten L dessen Tritte mit festen Turnschuhen gegen Kopf und Rücken des Opfers nicht unter dem Gesichtspunkt des Einsatzes eines gefährlichen Werkzeugs gemäß § 224 Absatz I Nr. 2 StGB gewürdigt. Ferner kann § 224 Absatz I Nr. 3 StGB anzuwenden sein. Schließlich hat das LG seiner Entscheidung keine schwere körperliche Misshandlung des Opfers i.S.v. § 250 Absatz II Nr. 3a StGB zu Grunde gelegt. Insoweit liegen Erörterungsmängel vor, die möglicherweise zur Annahme eines zu geringen Schuldumfangs beim Angeklagten L und zur fehlerhaften Nichtanwendung des § 250 Absatz II Nr. 3 StGB geführt haben.

(…) Nach der Rechtsprechung des Bundgerichtshofs kommt es für die Frage, ob der Schuh am Fuß des Täters als ein gefährliches Werkzeug i.S.v. § 224 Absatz I Nr. 2 StGB anzusehen ist, auf die Umstände des Einzelfalles an, u.a. auf die Beschaffenheit des Schuhes sowie auf die Frage, mit welcher Heftigkeit und gegen welchen Körperteil mit dem beschuhten Fuß getreten wird (…). Ein Straßenschuh von üblicher Beschaffenheit ist regelmäßig als gefährliches Werkzeug anzusehen, wenn damit einem Menschen gegen den Kopf getreten wird. Das gilt jedenfalls für Tritte in das Gesicht des Opfers. Entsprechendes ist anzunehmen, wenn der Täter feste Turnschuhe der heute üblichen Art trägt, wovon das Landgericht ausgegangen ist. Daher liegt die Annahme nahe, dass durch das Verhalten des Angeklagten L auch der Tatbestand des § 224 Absatz I Nr. 2 StGB erfüllt ist. Der Geschädigte hatte nach der Tat erhebliche Schwellungen und Blutergüsse im Gesicht; sein rechtes Ohr war „schwarz angelaufen”. Dies kann auf die Tritte des Angeklagten L mit seinen beschuhten Füssen zurückzuführen sein.

(…) Das Landgericht hat ferner die Anwendung von § 224 Absatz I Nr. 3 StGB nicht erwogen, obwohl ein solcher Fall nach den Feststellungen nahe liegt. Eine gefährliche Körperverletzung liegt danach vor, wenn der Täter die Tat mittels eines hinterlistigen Überfalls begeht. Ein Überfall ist allerdings nicht schon dann hinterlistig, wenn der Täter für den Angriff auf das Opfer nur ein Überraschungsmoment ausnutzt (…). Erforderlich ist vielmehr, dass der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung der wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen (…). Eine solche Fallgestaltung kann darin zu sehen sein, dass die Angeklagte M den Geschädigten in eine Falle lockte, als sie ihn außerhalb der Geschäftszeiten in die Geschäftsräume bat und ihn unter einem Vorwand alleine in ihr Büro gehen ließ, während ihm L, Me und S auflauerten (BGH, Urteil vom 15. 9. 2010 – 2 StR 395/10 (LG Bad Kreuznach)).

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