Zur Frage, wann die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bei einem räuberischen Angriff auf Kraftfahrer ausgenutzt werden, hat der Bundesgerichtshof (BGH) einen Beschluss gefasst. Das Landgericht Leipzig hatte die Angeklagten wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit Raub, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung sowie wegen „Wohnungseinbruchdiebstahls” schuldig gesprochen.
Nachdem die Angeklagten mit dem Tatopfer ein wenig umhergefahren waren und es hierbei mehrfach schlugen und anderweitig körperlich misshandelten forderten sie den Geschädigten nach einem Halt des Fahrzeugs in einem Wohngebiet auf, seine Taschen zu leeren. Aus Angst vor weiteren Schlägen holte der Geschädigte aus seinen Taschen ein schwarzes Mobiltelefon, eine ungeöffnete Zigarettenschachtel, einen Schlüsselbund mit seinen Wohnungs- und Haustürschlüsseln sowie 2 bis 3 Euro Münzgeld heraus.
Erfüllte dies auch den Tatbestand des § 316a StGB (Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer)?
Nach § 316b StGB macht sich strafbar, wer zur Begehung eines Raubes (§ 249 oder 250 StGB), eines räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) oder einer räuberischen Erpressung (§ 255 StGB) einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlußfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt. Die angedrohte Freiheitsstrafe ist mit nicht unter fünf Jahren ganz erheblich.
Der BGH war aus den folgenden Gründen der Auffassung, dass beim vorliegenden Fall der Tatbestand des § 316a StGB ausscheidet, weil die Angeklagten nicht die besondere Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt hatten:
„Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dieses zusätzliche Tatbestandsmerkmal in der Regel erfüllt, wenn der Angriff im Sinne des § 316a StGB zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem sich der Fahrer mit dem Fahrzeug im fließenden Verkehr befindet (…). Entsprechendes gilt auch, wenn das Kraftfahrzeug während der Fahrt verkehrsbedingt mit laufendem Motor hält, die Fahrt aber nach Veränderung der Verkehrssituation sogleich fortgesetzt werden soll, das Fahrzeug sich also weiterhin im fließenden Verkehr befindet. In diesen Fällen hat auch der „Mitfahrer”, sollte er wegen der Einwirkung durch den oder die Täter zur Flucht entschlossen sein, regelmäßig keine Möglichkeit, sich dem Angriff ohne Eigen- oder Fremdgefährdung – etwa durch Öffnen der Tür oder Ziehen der Handbremse – zu entziehen (…). In allen anderen Fällen, insbesondere bei einem nicht verkehrsbedingten Halt, bedarf es zusätzlicher, in den Urteilsgründen darzulegender Umstände, die die Annahme rechtfertigen, dass die Tat unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen worden ist (…) (BGH, Beschluss vom 22. 8. 2012 – 4 StR 244/12 (LG Leipzig)).
Diese zusätzlichen Umstände waren hier nicht belegt:
„Im vorliegenden Fall hat das Landgericht lediglich festgestellt, dass der Angeklagte K nach den vorausgegangenen Misshandlungen des Geschädigten und nachdem er sich schwarze Lederhandschuhe angezogen hatte, diesen im Einvernehmen mit seinen Mittätern „nach dem Halt im Wohngebiet” zur Leerung seiner Taschen aufforderte. Zu den näheren Umständen dieses „Halts” in einem Wohngebiet, insbesondere dazu, ob das Anhalten verkehrsbedingt war, verhalten sich die Urteilsgründe nicht“ (BGH, Beschluss vom 22. 8. 2012 – 4 StR 244/12 (LG Leipzig)).
Es konnte insofern nicht nachvollzogen werden, ob die Angeklagten die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt hatten.