Bei einer E-Mail, in der lediglich mit Worten der an einem Kind vorgenommene sexuelle Missbrauch geschildert wird, handelt es sich nach Ansicht des ersten Strafsenats des Bundesgerichtshofs nicht um eine kinderpornographische Schrift, die im Sinne von § 184b Abs. 2 und 4 StGB ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 19.03.2013 – 1 StR 8/13).

Der Bundesgerichtshof kommt zu dieser Bewertung nach einer historischen-, systematischen-, teleologischen- sowie Wortlautauslegung des § 184b Abs. 2 StGB, die wie folgt ausfällt:

Begründung des Gesetzentwurfs zu § 184b Abs. 2 StGB

„Der Straftatbestand des § 184 Abs. 5 StGB aF, die durch das 27. StrafrechtsÄndG vom 23. Juli 1993 (BGBl. I, S. 1346) eingeführte Vorgängernorm des § 184b Abs. 2 StGB, stellte die Besitzverschaffung im Zweipersonenverhältnis nur für solche Schriften unter Strafe, die ein „tatsächliches“ Geschehen wiedergeben.

In der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 12/3001, S. 4 ff.) wurde namentlich auf die Verbreitung kinderpornographischen Bild- und Videomaterials (S. 4) und – konkret – auf „kinderpornographische Filme, Videofilme, Photographien oder authentische Tonaufnahmen“ (S. 5) Bezug genommen. Die Bundesregierung stellte ergänzend klar, dass der Straftatbestand „auf die Fälle beschränkt bleiben“ solle, „in denen durch Videofilm, Film oder Foto ein tatsächliches Geschehen wiedergegeben wird“. Demgegenüber sah sie bei „kinderpornographischen Romanen, Zeichnungen und Zeichentrickfilmen“ den Strafgrund der Regelung nicht als erfüllt an, weil deren Besitz nicht dazu beitrage, dass Kinder als „Darsteller“ bei pornographischen Aufnahmen missbraucht würden (BT-Drucks. 12/3001, Anlage 3, S. 10).

Noch weiter ging der Rechtsausschuss des Bundestages: Er empfahl auch für den neuen Qualifikationstatbestand des banden- und gewerbsmäßigen Umgangs mit kinderpornographischen Schriften (§ 184 Abs. 4 StGB aF) eine Beschränkung auf Darstellungen, die ein „tatsächliches“ Geschehen wiedergeben (BT-Drucks. 12/4883, S. 5). Der Ausschuss begründete dies mit Bedenken, die erhöhte Mindeststrafe in § 184 Abs. 4 StGB aF auch für Fälle anzuwenden, „in denen lediglich Zeichnungen oder wörtliche Darstellungen gewerbs- oder bandenmäßig verbreitet werden“. Denn deren Entstehung sei „regelmäßig nicht mit einem tatsächlichen sexuellen Missbrauch eines Kindes verbunden““ (BGH, Beschluss vom 19.03.2013 – 1 StR 8/13).

Schutzkonzept des § 184b StGB

„Eine Beschränkung der Besitzverschaffungstatbestände auf bildliche Darstellungen und (authentische) Tonaufnahmen entspricht auch dem abgestuften Schutzkonzept des § 184b StGB. Danach werden bestimmte Handlungen (z.B. Herstellen, Verbreiten) bezüglich aller kinderpornographischen und diesen gleichstehenden Darstellungen (§ 11 Abs. 3 StGB) unter Strafe gestellt (§ 184b Abs. 1 StGB), die bloße Besitzverschaffung von solchen Darstellungen aber nur, wenn sie ein „tatsächliches“ oder „wirklichkeitsnahes“ Geschehen wiedergeben (§ 184b Abs. 2 und 4 StGB). Erkennbar liegt dem die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass gerade von letzteren gegenüber sonstigen kinderpornographischen Darstellungen eine erhöhte Gefahr ausgeht, einen Anreiz dafür zu bilden, Kinder zur Herstellung solcher Darstellungen sexuell zu missbrauchen (…).

Die erhöhte Gefährlichkeit bildlicher oder videografischer Darstellungen sowie authentischer Tonaufnahmen besteht im Übrigen auch darin, dass dem Betrachter das Missbrauchsgeschehen unmittelbar „vor Augen geführt“ wird. Der von ihnen bei Menschen mit entsprechender Neigung ausgelöste Reiz, solches Geschehen selbst mit Kindern zu wiederholen, dürfte in der Regel schon wegen des unmittelbaren Eindrucks auf den Konsumenten ungleich stärker sein als bei Beschreibungen, Trickfilmen oder Erzählungen, die, selbst wenn sie auf ein wirkliches Geschehen Bezug nehmen, dieses für den Leser, Betrachter oder Zuhörer stets nur mittelbar wiedergeben können“ (BGH, Beschluss vom 19.03.2013 – 1 StR 8/13).

Erfordernis der Normenklarheit

„Auch das Erfordernis der Normenklarheit spricht dagegen, bloß verbale Schilderungen als Wiedergabe eines „tatsächlichen“ oder „wirklichkeitsnahen“ Geschehens zu verstehen. Es ließen sich kaum generelle Kriterien finden, die eine klare Abgrenzung ermöglichten, wann ein Text ein Geschehen zumindest „wirklichkeitsnah“ wiedergibt. Damit hinge es von einem rechtlich kaum fassbaren Gesamteindruck ab, ob eine schriftliche Darstellung, etwa wegen ihrer Detailgenauigkeit, ihres Stils – Berichtsform oder erkennbar fiktive Schilderung – oder wegen ihres Bezuges auf tatsächlich existierende Personen als „wirklichkeitsnah“ oder – bei Nachweis eines vorausgegangenen tatsächlichen Missbrauchs – sogar als „tatsächlich“ eingestuft werden könnte. Zudem drohten Wertungswidersprüche zwischen nicht von § 184b Abs. 2 und 4 StGB erfassten erkennbar fiktiven bildlichen pornographischen Darstellungen und detailgenauen, als „tatsächlich“ oder zumindest „wirklichkeitsnah“ eingestuften Textdarstellungen“ (BGH, Beschluss vom 19.03.2013 – 1 StR 8/13).

Hinweis:
Das ist ein alter Beitrag. Aktuelle Informationen zu § 184b StGB finden Sie hier: Kinderpornographie im Strafrecht.