Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer Entscheidung vom 29. April 2009 ausführlich mit dem Merkmal „Heimtücke“ auseinandergesetzt, welches bei Verwirklichung den Totschlag zu einem Mord qualifiziert (BGH-2 StR 470/08).

Tatsächlich zugetragen hat sich in dem, dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt, folgendes:

„Nach den Feststellungen entstand während des Frühstücks am Morgen des 16. November 2007 ein Streit zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau. Um sich zu beruhigen und auch, um die Zeitung zu holen, ging der Angeklagte hinaus auf den Hof seines Anwesens. Dort erblickte er einen ca. 3 kg schweren Hammer mit einem ca. 40 cm langen Stiel. Spontan entschloss er sich, seine Ehefrau zu töten. Er zog sich die neben dem Hammer liegenden Handschuhe an und ging anschließend wieder in die Waschküche zurück, wobei er den Hammer in der rechten Hand neben seiner Hose hielt, „ohne allerdings hiermit eine bestimmte Absicht zu verfolgen“. Die Ehefrau des Angeklagten saß unverändert am Küchentisch und blickte in die vom Angeklagten abgewandte Richtung. Dieser trat hinter seine Ehefrau, die sich eines Angriffs nicht versah, und schlug mit dem Hammer von oben wiederholt auf den Kopf seiner Ehefrau, um diese zu töten. Sodann ergriff er eine Plastiktüte mit einer daran befindlichen Sisalschnur, zog diese seiner Ehefrau über den Kopf und drosselte ihr mit der Schnur den Hals, damit sie ersticke. Er schnürte die Tüte im Bereich des Nackens fest zu und befestigte sie straff mittels eines Schleifenknotens. Die Ehefrau verstarb kurz nach den Angriffen durch Verbluten nach innen und außen infolge der ihr zugefügten Kopfverletzungen.

Nach der Tat zog der Angeklagte sich um, wusch sich die bei der Tat davongetragenen Blutanhaftungen ab und warf das Tatwerkzeug sowie die zuvor getragenen Kleidungsstücke in einen alten, mit einer ca. 15 kg schweren Stahlplatte gesicherten Brunnen. Gegenüber von ihm herbeigerufenen Verwandten und Polizistinnen behauptete er zunächst, seine Frau nach Rückkehr vom Friedhof tot aufgefunden zu haben; diese habe ihm zuvor erzählt, dass sie Besuch erwarte.“

Dabei soll dieses Tatverhalten heimtückisch i.S. d. § 211 Strafgesetzbuch (StGB) gewesen sein. Dies begründet der BGH wie folgt:

„Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren. Das Opfer muss gerade auf Grund seiner Arglosigkeit wehrlos sein. Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (BGHSt 32, 382, 383 f.; BGH NJW 1991, 1963; Urteil vom 20. Juli 2004 – 1 StR 145/04).

Der Tatrichter ist davon ausgegangen, dass die Ehefrau des Angeklagten arg- und wehrlos war, als dieser mit dem Hammer in der Hand hinter sie trat. Denn sie rechnete nach den Urteilsfeststellungen mit keinem tätlichen Angriff. Objektiv ist das Mordmerkmal der Heimtücke daher gegeben.

Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit (also das subjektive Moment) genügt es, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Arglosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGH, Urt. vom 20. Juli 2004 – 1 StR 145/04; NStZ 2005, 688, 689).

Nach dem äußeren Tatgeschehen hat der Angeklagte naheliegend mit Ausnutzungsbewusstsein gehandelt. Die Gegebenheiten nach Rückkehr in die Waschküche waren einfach und auf einen Blick überschaubar. Der Umstand, dass die Geschädigte auf Grund ihrer Blickrichtung gegenüber einem Angriff des sich von hinten nähernden Angeklagten wehrlos war, drängte sich auf. Dies hat der Angeklagte auch vollständig erfasst. Er hat, wie die Urteilsfeststellungen ergeben, bewusst wahrgenommen, dass seine Ehefrau in der Annäherungsphase von ihm wegschaute und dass sie den Hammer auch auf Grund von dessen Position nicht erkennen konnte. (…).

Dem Ausnutzungsbewusstsein steht das für den Zeitpunkt der Tat festgestellte „gereizt affektive Syndrom von tiefem Ausmaß wie Zorn und Ärger“ nicht erkennbar entgegen. Der Angeklagte hatte sich zunächst aus dem Frühstücksraum entfernt, um einer Fortsetzung des Streits mit seiner Ehefrau aus dem Weg zu gehen und sich zu beruhigen. Erst auf dem Hof fasste der Angeklagte den Entschluss, seine Ehefrau zu töten. Abgesehen davon, dass nicht jede affektive Erregung des Täters der Annahme eines Ausnutzungsbewusstseins entgegensteht (vgl. BGH NStZ 2003, 535), relativiert die im äußeren Ablauf deutlich erkennbare Zäsur die Indizwirkung der Spontanität des Tatentschlusses für das Fehlen eines Ausnutzungsbewusstseins (…).
(…)
In die Bewertung, ob ein Ausnutzungsbewusstsein gegeben ist, hätte auch das überaus umsichtige Tat- und Nachtatverhalten des Angeklagten näher als geschehen einbezogen werden müssen. Das Anlegen von Handschuhen vor der Tatausführung deutet darauf hin, dass der Angeklagte bestrebt war, Fingerabdrücke auf dem Tatwerkzeug zu vermeiden. Ebenfalls spricht die überlegte, planvolle Tatausführung – der Angeklagte hielt den Hammer bei seiner Annäherung an seine Ehefrau außerhalb ihres (potentiellen) Sichtfeldes – für das Vorliegen des Ausnutzungsbewusstseins. (…)“ (vgl. insgesamt: BGH – Urteil vom 29 April 2009 – Az.: 2 StR 470/08).

Anmerkung: Eine Antwort darauf, in welchem Verhältnis, die auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit der Ehefrau, und das bewusste Ausnutzen dieser durch den Ehemann in Form des Anlegens von Handschuhen stehen soll, bleibt der BGH schuldig. Im Gegenteil: Der BGH stellt ja fest, dass das Anlegen von Handschuhen dazu diente, „Fingerabdrücke auf dem Tatwerkzeug zu vermeiden“ und gerade nicht dazu (wie auch?) die Arg-und Wehrlosigkeit seiner Frau besonders auszunutzen.

Schlagwörter