Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Gera aufgehoben, weil es zu Unrecht eine richterliche Vernehmung verlesen hatte.
Ein Angeklagter stand wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern vor Gericht. Auch seine Töchter sollten vor Gericht aussagen, verweigerten nach § 52 StPO aber die Aussage. Der Vorsitzende stellte daraufhin fest, dass es eine richterliche Aussage gab und wollte diese verlesen lassen. Alle Verfahrensbeteiligten waren mit der Verlesung einverstanden und das Landgericht hat dazu in seiner Urteilsbegründung ausgeführt:
„Die richterlichen Aussagen wurden im Einvernehmen aller Beteiligten verlesen, da die beiden Frauen (…) von ihrem (…) Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben. Beiden Zeuginnen war dabei sehr wohl bewusst und bekannt, dass dann gleichwohl ihre Angaben, die sie zuvor vor dem jeweiligen Ermittlungsrichter gemacht hatten, in die Hauptverhandlung eingeführt werden können und auch eingeführt wer-den.“
Diese Verlesung rügte die Verteidigung. Der Generalbundesanwalt hingegen argumentierte im Revisionsverfahren, die Verteidigung hätte beweisen müssen, dass die Zeuginnen auf das Beweisverwertungsverbot NICHT wirksam verzichtet hätten, also eine Negativtatsache beweisen müssen. Dem hat der BGH einen Riegel vorgeschoben und hob das Urteil auf. Denn grundsätzlich läge in solchen Fällen ein umfassendes Verwertungsverbot vor und spricht von einer „eng begrenzten“ Ausnahmemöglichkeit, die hier überdehnt worden sei.
Vorliegend hätten die Zeuginnen also ausdrücklich auf das Verwertungsverbot verzichten müssen, woran es fehlte. Das stellt nach dem Gesetz eine strenge Förmlichkeit dar gem. § 273 Absatz 1 StPO und diese wurde verletzt. Das „Bewusstsein“ der Zeugen der Verlesung hat der BGH ganz deutlich nicht toleriert und auch nicht ausreichen lassen, dass alle Verfahrensbeteiligten mit der Verlesung einverstanden waren.
Eine sehr dogmatische Entscheidung, die auf den Wortlaut und die Förmlichkeiten des Verfahrens abstellt.