Der Straftatbestand der Untreue gemäß § 266 des StGB ist in den vergangenen Jahren zu einer Art Auffangtatbestand insbesondere bei der Wirtschaftskriminalität geworden. Seine weit gefassten Voraussetzungen führen jährlich zu tausenden staatsanwaltlichen Ermittlungen. Allein im Jahr 2014 beschäftigten knapp 9.000 erfasste Fälle von Untreue Rechtsanwälte, Strafverteidiger und Gerichte.
Untreue ist ein Vermögensdelikt und in § 266 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Der Straftatbestand dient dem Schutz des Vermögens als Ganzes.
Was sind die Tatbestandsvoraussetzungen von Untreue gemäß § 266 I StGB?
Zu unterscheiden sind zwei Varianten der Untreue gemäß § 266 StGB – der Missbrauchstatbestand und der Treuebruchtatbestand.
Beiden Varianten gemeinsam sind zwei Voraussetzungen: Der Täter muss eine Vermögensbetreuungspflicht innehaben und aufgrund der Handlung des Täters muss es zu einem Vermögensschaden beim Vermögensinhaber gekommen sein.
Die Verpflichtung zur Vermögensbetreuung ergibt sich aufgrund der besonderen Qualifikation oder Stellung des Täters, welche ihn in besonderer Weise zum Schutz fremder Vermögensinteressen anhält.
Sie kann sich sowohl aus Gesetz, behördlichem Auftrag oder Rechtsgeschäft ergeben. Gesetzliche Vermögensbetreuungspflichten bestehen regelmäßig bei Eltern, Vormünden, Betreuern, Pflegern oder Testamentsvollstreckern. Behördliche Vermögensbetreuungspflichten bestehen grundsätzlich bei Amtsträgern, die in Verrichtung ihres Dienstes bestimmte Geschäfte zu erledigen haben (etwa Ordnungsamtsbeamte). Vermögensbetreuungspflichten kraft Rechtsgeschäfts ergeben sich bei Personen, die Vollmacht oder Prokura haben.
Eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB besteht jedoch nur dann, wenn die Pflicht, fremdes Vermögen zu betreuen, eine Hauptpflicht des Täters darstellt, der Täter einen gewissen Entscheidungsspielraum bei der Beobachtung dieser Pflicht hat und die Pflicht für sich von Bedeutung ist.
Missbrauchstatbestand der Untreue
Strafbar nach Variante 1 der Untreue – dem Missbrauchstatbestand – macht sich, wer eine Vermögensbetreuungsbefugnis „missbraucht“. Es bedarf also einer Befugnis, über fremdes Vermögens zu disponieren.
Der Missbrauch liegt dann bei folgender Konstellation vor: Der Täter hat eine rechtliche Stellung, aufgrund derer er über das Vermögen eines andere disponieren kann. Gleichzeitig hat er aufgrund dieser Stellung die Pflicht, dieses Vermögen des anderen besonders zu schützen. Diese Pflicht setzt die Grenze, inwieweit der Täter sein rechtliches Können, also seine Befugnis auch nutzen darf. Überschreitet er nun diese Grenze, so missbraucht er seine Befugnis und verletzt die Vermögensbetreuungspflicht.
Treuebruchtatbestand der Untreue
Variante 2 der Untreue – der Treuebruchtatbestand – ist etwas weiter gefasst und verlangt lediglich die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht. Der Täter verletzt also die Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen. Im Gegensatz zu Variante 1 kommt es hier nicht auf die Befugnis des Täters an, sondern allein auf die Betreuungspflicht. Diese Pflicht kann sich im Unterschied zu Variante 1 auch aus tatsächlichen Treueverhältnissen ergeben, etwa bei Strohmann-Geschäftsführern für den dahinter stehenden sog. faktischen Geschäftsführer.
Die Verletzung dieser Pflicht kann unterschiedlichster Gestalt sein. So kommen tatsächliche Einwirkungen auf das Vermögen (Zerstören, Beschädigen, etc.) ebenso in Betracht wie rechtsgeschäftliche Handlungen (Veräußern, Verschenken, etc.) oder hoheitliches Handeln.
Was ist Untreue in einem besonders schweren Fall (§ 266 II StGB)?
Während die (“einfache“) Untreue mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren geahndet wird, droht bei der besonders schweren Untreue Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und bis zu 10 Jahren.
Untreue in einem besonders schweren Fall liegt in der Regel vor, wenn
- sie gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande erfolgt.
- sie in einem Vermögensverlust großen Ausmaßes oder bei einer großen Zahl von Personen resultiert,
- eine andere Person in wirtschaftliche Not gebracht wird,
- der Täter seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder europäischer Amtsträger missbraucht oder
- der Täter einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert durch Brandstiftung ganz oder teilweise zerstört hat.
Dies sind jedoch lediglich Regelbeispiele, sodass ein besonders schwerer Fall auch in anderen Situationen vorliegen kann. Es kommt dabei auf eine Wertung aller Umstände des Einzelfalls an.
Wann verjährt die Untreue gemäß § 266 I StGB?
Eine begangene Untreue kann fünf Jahre nach Beendigung der Tat nicht mehr verfolgt werden. Die Verjährungsfrist beginnt mit der Beendigung der Tat, bei der Untreue ist dies der endgültige Vermögensverlust. Zu beachten ist weiter, dass die Verjährung nach § 78b StGB ruhen beziehungsweise nach § 78c StGB unterbrochen werden kann. Trotz einer möglichen Unterbrechung gemäß § 78c StGB verjährt die Verfolgung jedoch spätestens, wenn der doppelte Zeitraum der zuvor benannten gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist – also zehn Jahre. Das Ruhen gemäß § 78b StGB ist hiervon ausgenommen. Hier kann die Verjährung unter Umständen auch über 10 Jahre hinausgeschoben werden.
Brauche ich einen Strafverteidiger?
Wie in jedem Fall, bei dem es für die Höhe der drohenden Strafe auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, ist die Vertretung durch einen Strafverteidiger ratsam. Da die Untreue lediglich ein Vergehen darstellt, ist ein Strafverteidiger nicht verpflichtend. Da der Straftatbestand der Untreue jedoch sehr weit gefasst ist und damit potenziell eine breite Vielfalt von Handlungen erfassen kann, sollte immer ein Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht mit der Prüfung des Falles beauftragt werden. Dieser kann Einblick in die Ermittlungsakten beantragen und somit eine effektive Strafverteidigung vorbereiten.
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