Eine von Rechtsanwalt Dr. Baumhöfener begründete Revision vor dem 4. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte Erfolg. Das Landgericht Itzehoe hatte den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr sowie unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Der BGH hat den Schuldspruch wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht gehalten, das Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts Itzehoe zurückverwiesen.
Nach den Feststellungen des tatgerichtlichen Urteils „hat der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz einen Schuss mit seiner halbautomatischen Selbstladepistole auf den Fahrer des im Tatzeitpunkt neben ihm befindlichen Fahrzeugs der Marke BMW, den Nebenkläger W., abgegeben. Der Schuss verfehlte sein Ziel und schlug – vom Nebenkläger zunächst unbemerkt – in die B-Säule des von ihm gefahrenen Fahrzeugs ein“ (BGH – Beschluss vom 30.8.18 – 4 StR 349/17). Das Landgericht hatte seinen Strafzumessungserwägungen auch diese Verurteilung zu Grunde gelegt. Die Strafandrohung des §315b StGB reicht von Geldstrafe bis zu einer Strafandrohung in Höhe von fünf Jahren.
Der BGH sieht in dem diesbezüglichen Schuldspruch einen durchgreifenden Rechtsfehler:
„Eine solche Verurteilung setzt bei Schüssen auf Fahrzeuge im Straßenverkehr voraus, dass die konkrete Gefahr für eines der in § 315 StGB Abs. 1 StGB genannten Schutzobjekte jedenfalls auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte (Dynamik des Straßenverkehrs) zurückzuführen ist. Daran fehlt es, wenn der Schaden – wie hier – ausschließlich auf der durch die Pistolenschüsse freigesetzten Dynamik der auftreffenden Projektile beruht. Um insoweit auch nur zu einer Verurteilung wegen Versuchs zu gelangen, hätte der Angeklagte in seine Vorstellung aufnehmen und billigen müssen, dass es infolge des Schusses zu einem Beinahe-Unfall kommen kann (…). Feststellungen dazu hat das Landgericht indes nicht getroffen“ “ (BGH – Beschluss vom 30.8.18 – 4 StR 349/17).
Der 4. Senat verweist dabei auf seine eigene Rechtsprechung. In einem ähnlich gelagerten Fall aus dem Jahre hatte er in Bezug auf den Tatbestand des § 315b StGB ausgeführt:
„Der Tatbestand des § 315b StGB ist dreistufig aufgebaut. Durch eine der in Abs. 1 bezeichneten Tathandlungen muss die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt und hierdurch eine konkrete Gefahr für eines der genannten Individualrechtsgüter begründet worden sein. Erforderlich ist danach, dass die Tathandlung eine abstrakte Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs bewirkt, die sich zu einer konkreten Gefahr für eines der genannten Schutzobjekte verdichtet (…). Regelmäßig werden hierbei der Eingriff und die Begründung der abstrakten Gefahr zeitlich dem Eintritt der konkreten Gefahr vorausgehen, etwa, wenn der Eingriff zu einer kritischen Verkehrssituation führt, durch die sodann eines der Schutzgüter konkret gefährdet wird (sog. „Beinahe-Unfall”). Nach der Senatsrechtsprechung ist dies jedoch nicht zwingend (….). Danach kann der Tatbestand des § 315b I StGB in sämtlichen Handlungsalternativen auch dann erfüllt sein, wenn – wie hier – die Tathandlung (Abgabe des Schusses) unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung (Beschädigung des Kraftfahrzeugs) führt. Dies gilt indes nicht uneingeschränkt. Nicht jede Sachbeschädigung (oder auch Körperverletzung) im Straßenverkehr ist tatbestandsmäßig i.S.d. § 315b StGB. Vielmehr gebietet der Schutzzweck des § 315b StGB insoweit eine restriktive Auslegung der Norm, als unter einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert nur verkehrsspezifische Gefahren verstanden werden dürfen (…). Dies ist der Fall, wenn die konkrete Gefahr – jedenfalls auch – auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte (Dynamik des Straßenverkehrs) zurückzuführen ist“(BGH, NStZ 2009, S. 100).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze konnte die Verurteilung wegen vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und die verhängte Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat die tateinheitliche Begehung eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafschärfend verwertet.