Die Corona-Krise oder COVID-19 hat Deutschland fest im Griff. Die Ausgangssperre könnte bundesweit Realität werden, Ausgangsbeschränkungen gibt es vereinzelt bereits. Das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen, kurz Infektionsschutzgesetz (IfSG), stellt einen genauen Ablaufplan dar, nach dem die Bundesregierung und Landesregierungen sich derzeit richten. Die Maßnahmen, die bislang ergriffen wurden, sind dort weitgehend geregelt. Ich möchte Ihnen im Folgenden einen Überblick darüber bieten, was demjenigen strafrechtlich droht, der sich nicht an die beschlossenen oder noch kommenden Restriktionen hält.
Zweck des Infektionschutzgesetzes
Zweck des Infektionschutzgesetzes ist es gemäß § 1 Abs. 1 IfSG, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. In den weiteren Abschnitten werden einzelne Maßnahmen geregelt, die das Gesetzt zur Durchsetzung dieser Schutzzwecke bereitstellt. Gegenstand dieses ersten Überblicks soll nicht sein, ob das Gesetz den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, die an die Einschränkung von Grundrechten gestellt werden. Dies dürfte in vielerlei Hinsicht fraglich sein, dass Bestimmtheitsgebot, welches gebietet, dass weitreichende Einschnitte in verfassungsrechtlich geschützte Güter genau bezeichnet sind, ist mit zumindest mit Blick auf die Ausgangssperre nur eines dieser Aspekte. Das Innenministerium geht, wie mehrere Medien berichten, davon aus, dass auf Grundlage dieses Gesetzes eine nationale Ausgangssperre, von den einzelnen Bundesländern, verhängt werden könnte. Eine Ausgangssperre ist im Infektionsschutzgesetz aber nicht explizit geregelt. Hier wird es aber – um den Verfassungsvorgaben zu genügen – sicherlich zügig Nachbesserungen geben.
Ist ein Verstoß gegen eine Ausgangssperre strafbar?
In § 28 Absatz 1 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes heißt es: Die zuständige Behörde kann Personen verpflichten, „den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind“. Bislang wird davon ausgegangen, dass man auch Ausgangssperren auf diese Gesetzesgrundlage stützen könnte. Wie gesagt. Sehr zweifelhaft.
Ob man Ausgangssperren wegen der Corona-Krise nun auf das bestehende Infektionsschutzgesetz oder kommende Regelungen stützt. Es wird mit Sicherheit dazu führen, dass Geldbußen, Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafe für denjenigen angedroht werden, der sich nicht an die Vorgaben hält. Im Infektionsschutzgesetz sind diese jedenfalls bereits vorgesehen. Hier wird gemäß § 75 Absatz 1 Nr. 1 IfSG mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einer vollziehbaren Anordnung nach § 28 Absatz 1 Satz 2 IfSG zuwiderhandelt. Sogar fahrlässiges Handeln wird gemäß § 75 Absatz 4 IfSG sanktioniert und mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft. Mit der Vorschrift werden also Zuwiderhandlungen unter Strafandrohung gestellt. Abweichend zu § 74 IfSG ist in diesen Fällen nicht erforderlich, dass es zu einem Verbreitungserfolg kommt. Diese Sanktionen und die konkrete mögliche Maximalstrafe wird sicherlich als Vorlage für ein etwaiges neues Gesetz zur konkreten Regelung einer Ausgangssperre dienen. Stand jetzt könnte der Verstoß gegen eine Ausgangssperre nicht zu Sanktionen führen; zumindest wenn man die Auffassung vertritt, dass Ausgangssperren nicht unter § 28 Absatz 1 Satz 2 IfSG fallen. Eine Ausgangssperre könnte allenfalls analog hierauf gestützt werden. Eine Strafbarkeit könnte dies – wiederum aus verfassungsrechtlichen Gründen – hingegen nicht nach sich ziehen, weil es im Strafrecht ein Analogieverbot zu Lasten des Beschuldigten gibt. Insofern müsste ein neues Gesetz statuiert werden, nach welchem sich aber nur derjenige strafbar machen könnte, der sich nach Erlass des Gesetzes infiziert hat (sog. Rückwirkungsverbot).
Ist ein Verstoß gegen das Kontaktverbot strafbar?
Das Kontaktverbot, welches als sinnvolle Alternative zur umfassenderen Ausgangsbeschränkung nunmehr in einigen Bundesländer gilt und welches grob gesagt, gebietet, kleinere Zusammenkünfte in der Öffentlichkeit zu untersagen, dürfte wohl auf § 28 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 IfSG gestützt werden. Die Regelung ermöglicht es den zuständigen Behörden, Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen zu beschränken oder zu verbieten. Unabhängig von der problematischen Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „größeren Anzahl“, der historische Gesetzgeber wollte mit der Regelung sicherstellen, dass „alle Zusammenkünfte von Menschen, die eine Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen, erfasst werden“ (BT-Drs. 14/2530, S. 75), würde bei Zuwiderhandlungen gegen das Kontaktverbot das gleiche gelten wie bei der Ausgangsperre, diesmal allerdings ohne Einschränkung.
Gemäß § 75 Absatz 1 Nr. 1 IfSG wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einer vollziehbaren Anordnung nach § 28 Absatz 1 Satz 2 IfSG zuwiderhandelt. Unter § 28 Absatz 1 Satz 2 IfSG dürfte das Kontaktverbot fallen. Sogar fahrlässiges Handeln wird gemäß § 75 Absatz 4 IfSG sanktioniert und mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft.
Bundeskanzlerin Merkel hat darauf hingewiesen, dass die Einhaltung der Kontaktverbote von den von den Ordnungsbehörden und der Polizei überwacht werde und bei Zuwiderhandlungen sanktioniert würde. Eine Menge Arbeit für – gerade in dieser ohnehin krisenhaften Zeit.
Ist ein Verstoß gegen eine Quarantäne wegen Corona strafbar?
Wie erläutert, ist bisher fraglich, auf welche Rechtsgrundlage sich eine Ausgangssperre stützen würde, die eigentlich nicht dem Tatbestand des § 28 Absatz I Satz 2 IfSG unterfällt. Diese Regelung meint nämlich im engeren Sinne die Quarantäne individueller Personen. Wenn man also an Corona erkrankt ist und davon weiß, kann die zuständige Behörde Personen – wie gesehen – verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind. Bei Zuwiderhandlung gegen eine Quarantäne in Corona-Zeiten kann eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren verhängt werden, wobei diese unter Umständen zur Bewährung ausgesetzt werden kann, §§ 75 Absatz 1 Nr. 1, Absatz 4 IfSG.
§ 74 IfSG als spezielle Strafvorschrift
In der Corona- Krise könnten Infizierte einer Straftat nach § 74 IfSG beschuldigt werden. Dann käme eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren in Betracht, eine Bewährung, die nur bis zu einer Strafhöhe von 2 Jahren ausgesprochen werden kann, wäre bei der Maximalstrafe nicht mehr möglich. Aufgrund der hohen Strafandrohung sollte man als Infizierter möglichst zuhause bleiben und nicht auf die Idee kommen, als Mutprobe oder als ,,Spaß“ anderen Menschen vorsätzlich zu nahe zu kommen oder diese anzuhusten. Wohlgemerkt kommt eine derart hohe Freiheitsstrafe nur bei einer vorsätzlichen Begehung in Betracht.
§74 IfSG rekurriert auf den Katalog des § 73 Absatz 2, Absatz 1 a IfSG, welcher unter anderem das Besitzen von Polioviren unter Strafe stellt. Der Katalog ist sehr umfassend und kann etwa eine verweigerte Untersuchung unter Strafe stellen, aber auch eine verweigerte Auskunft und eine mangelhafte Mitwirkungspflicht. Dies alles zeigt auf, dass die Regelungen des IfSG für einen Ausnahmezustand geschaffen wurden, der zurzeit in Form der Corona-Krise vorliegt.
Insbesondere stellt der Katalog gemäß § 73 Absatz 1a IfSG unter Strafe, sofern von Ländern erlassenen Rechtsverordnungen nicht Folge geleistet wird. Dies macht Sinn, denn im Ausnahmezustand ist es wichtig, dass kein Chaos ausbricht und eine Autoritätsstruktur des Staates gewährleistet ist.