Der Deutsche Bundestag hat am 17.1.2020 die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Polizeibeamte im Rahmen von Ermittlungen, welche insbesondere Kinderpornographie-Foren im Darknet zum Gegenstand haben, zur Aufrechterhaltung ihrer Tarnung selbst unter engen Voraussetzungen als verdeckte Ermittler Kinderpornographie posten können. 

Kinderpornographie im Darknet: Eine hochsensible Herausforderung für Strafverfolgung und Politik

Straf- und Ermittlungsverfahren im Bereich kinderpornographischer Inhalte sind stets ein über den reinen Unwertgehalt der Tat hinausgehendes hochsensibles Thema, das eine rechtliche Auseinandersetzung oft zusätzlich politisch aufbläht. Der politische Diskurs fordert zunehmend härtere Strafen, schaut man sich nur die Vorhaben von Justizministerin Lamprecht an, die eine Mindeststrafe von einem Jahr Haft für Kindesmissbrauch oder Besitz von kinderpornographischem Material fordert. Durch den Besitz solchen Materials „mache man sich mitschuldig“. Der Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern sei ein besonders hohes Gut betonte der Gesetzgeber auch in seinem ersten Entwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Versuchsstrafbarkeit von Cybergrooming (BT-Drs. 19/13836, S. 8).

Die alarmierende Zunahme von Kinderpornographie im Darknet

Kinderpornographische Bilder und Videos werden heutzutage nahezu ausschließlich online und zu einem ganz wesentlichen Teil in geschlossenen Foren und Boards und dies häufig im Darknet getauscht und verbreitet. Im Schutz der Anonymität z.B. des TOR-Netzes sind Austauschplattformen für kinderpornographisches Material, das den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern jeder Altersstufe zeigt, in bislang nicht gekannter Größe entstanden (Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 374). So hatte allein die von deutschen Ermittlungsbehörden in 2017 geschlossene Plattform „Elysium“ zuletzt über 87.000 Nutzer. Ein Blick in die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik zeigt, dass Fälle der Verbreitung von „pornographischen Schriften im Internet“ immer häufiger werden. Die Zahl stieg von 7.421 Fällen im Jahr 2018 auf insgesamt 10.662 im Jahr 2019. Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung kinderpornographischer Schriften stieg von 7.449 auf 12.262 Fälle.

Da sich in der pädophilen Szene das Hauptinteresse überwiegend auf neues Material richtet, ist offensichtlich, dass sich hinter diesen Boards eine ganze Industrie verbergen muss, die Kinder aller Altersgruppen aufs schwerste sexuell missbraucht, um beständig für Nachschub zu sorgen (Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 374).

Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten im Darknet

Um Ermittlungsbeamten den Zugang zu Darknet-Plattformen mit kinderpornographischen Inhalten zu erschweren, wird auf einigen Seiten das Überwinden einer sogenannten „Keuschheitsprobe“ gefordert. Wer sich als Nutzer registrieren und am Austausch über die Plattform teilnehmen will, muss zunächst selbst strafbares kinderpornographisches Material zur Verfügung stellen. Dies kann entweder durch einen Upload der Bild- oder Videodateien in ein Forum oder aber durch den Versand an einen Moderator, der den User dann freischaltet, geschehen.

Die beschriebenen Probleme hat der Gesetzgeber zum Anlass genommen, in einem wenig beachteten Teil des 57. Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, das sich im Hauptteil der Einführung einer teilweisen Versuchsstrafbarkeit beim sogenannten Cybergrooming widmet, § 184b Abs. 5 StGB um eine weitere Tatbestandsausnahme zu erweitern und entsprechende Einsätze im Ermittlungsverfahren durch besondere Verfahrensregelungen in einem neu geschaffenen § 110d StPO zu präzisieren (Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 375). Die Novelle ist am 13.3.2020 in Kraft getreten (BGBl. I 2020 431-432).

Der Beitrag geht der Frage nach, ob die gesetzliche Neufassung gelungen ist und die Befugnisse der Ermittlungsorgane adäquat erweitert wurden.  

Keuschheitsprobe

Während in den 1970er Jahren vor allem Zeitschriften kursierten, in den 1980er Jahren Videokassetten ausgetauscht und in den 1990er Jahren Dateien auf Festplatten getauscht wurden, spielen physische Trägermedien bzw. Datenträger mit kinderpornographischem Material heute praktisch keine Rolle mehr, da sich die Szene seit den 2000er Jahren zunehmend ins Internet – und schließlich auch ins Darknet – verlagert hat.

Bei inkriminierten Gütern wie Betäubungsmitteln oder Falschgeld sind die deutschen Ermittlungsbehörden auch im Darknet dazu in der Lage, mögliche Straftaten aufzudecken.„Insbesondere dann, wenn die in Rede stehenden Straftaten auch eine Offline-Komponente aufweisen, wie z.B. bei dem über das Darknet abgewickelten Handel mit inkriminierten Gütern wie Betäubungsmittel, Waffen oder Falschgeld, kommt den Ermittlern zugute, dass sich das Handeln der Straftäter irgendwann zwangsläufig in die reale Welt verlagern muss: Die über das Darknet bestellten Drogen etc. müssen verpackt und über einen Dienstleister an eine physische Adresse versandt werden“ (Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 374). Diese Offline-Komponente, also die Verlagerung in die physische Welt, kommt bei dem Austausch von Kinderpornographie nicht zum Tragen. In den allermeisten Fällen haben die potenziellen Täter auch kein wirtschaftliches Interesse. Sie wollen also für die Verbreitung oder gar Herstellung kinderpornographischer Inhalte keinen monetären „Gegenwert“, sondern schlicht die Möglichkeit erhalten, im Austausch mit anderen selbst in den Besitzt neuer kinderpornographischer Dateien zu gelangen.  Insofern besteht regelmäßig auch keine Möglichkeit, über Finanzermittlungen Ermittlungsansätze zu generieren. „In der Ermittlungspraxis ist damit der Einsatz von Polizeibeamten, die verdeckt auf den einschlägigen Plattformen ermitteln, sei es als nicht-offen-ermittelnder Polizeibeamter (noeP) oder als verdeckter Ermittler (§ 110a Abs. 2 StPO), zumeist die einzige erfolgversprechende Möglichkeit, um über die Kommunikation mit den Tätern und die Analyse des jeweiligen Boards die Anonymität zu durchbrechen. Besonders relevant für diesen Ermittlungsansatz sind hochwertige Benutzerprofile (Moderatoren, Administratoren), die von bereits identifizierten Beschuldigten übernommen und nun von den Ermittlern fortgeführt werden können“ (Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 374). Da dies Straftätern bekannt ist, wird, um Ermittlungsbehörden oder Journalisten den Zugang zu Austauschplattformen für strafbare Inhalte zu erschweren, Zugang nur Nutzern gewährt, die zunächst selbst strafbare Inhalte übermitteln. Nur wer diese „Keuschheitsprobe“ besteht, erhält Zugang zum geschlossenen Bereich (Gercke, CR 2018, 480). Derjenige, der am Austausch über die Plattform teilnehmen will, muss also zunächst selbst strafbares kinderpornographisches Material zur Verfügung stellen. Dies kann entweder durch einen Upload der Bild- oder Videodateien in ein Forum oder aber durch den Versand an einen Moderator, der den User dann freischaltet, geschehen (Wittmer/Steinebach, MMR 2019, 650). Durch das Ablegen von derartigen Integritätsprüfungen sollen mithin verdeckte Ermittlungen auf den einschlägigen Plattformen verhindert werden (Wittmer/Steinebach, MMR 2019, 650).

In Deutschland gilt nämlich – unabhängig davon, ob ein Verdeckter Ermittler i.S.v. § 110a StPO zum Einsatz kommt oder Ermittlungen i.S.d. §§ 161, 163 StPO stattfinden – der Grundsatz, dass Beamte im Rahmen ihrer Ermittlungstätigkeit nicht berechtigt sind, selbst Straftaten zu begehen (Gercke, CR 2018, 480, 482). Als Gründe werden das Legalitätsprinzip und die andernfalls drohende Erschütterung des Vertrauens der Bevölkerung in die Integrität der Strafverfolgungsbehörden genannt (Safferling, DRiZ 2019, 206, 207).

Ermittlungsbeamte hätten sich nach alter Rechtslage durch das Hochladen von Kinderpornographie auf Darknet-Plattformen gem. § 184b Abs. 1 Nr. 1 1. Var. StGB strafbar gemacht, ohne dass die Ausnahmeregelung des § 184b Abs. 5 StGB a.F. gegriffen hätte. Folglich wurden verdeckte Ermittlungen auf den einschlägigen Plattformen – wie von den Betreibern beabsichtigt – durch die Forderung von „Keuschheitsproben“ deutlich erschwert. Strafverfolgungsbehörden verfügten nach alter Gesetzeslage insofern nicht über das erforderliche rechtliche Handwerkszeug, um Zugriff auf abgeschirmte Kinderporno-Tauschbörsen im Darknet zu erhalten (Wittmer/Steinebach, MMR 2019, 650, 651).

Befugnisse der Ermittlungsorgane nach neuem Recht

Schottete sich eine Tauschplattform/ein Tauschforum durch das Verlangen einer Keuschheitsprobe ab, waren die Möglichkeiten der deutschen Strafverfolger nach bisherigem Recht sehr limitiert. Aus eigener Rechtskompetenz kamen nur kreative Lösungen zur Vermeidung einer Strafbarkeit nach § 184b StGB, wie z.B. die Verwendung von Abbildungen aus medizinischen Lehrbüchern o.ä., in Betracht (Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 374). Diesen Methoden waren jedoch offensichtliche tatsächliche und auch rechtliche Grenzen gesetzt. Auch ein Rückgriff auf § 34 StGB mit dem Argument, dass das Bestehen der Keuschheitsprobe zur Unterbindung anhaltender Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern geboten und erforderlich ist, scheiterte bereits an der insoweit eindeutigen Regelung in Nr. 2.2 Anl. D zu den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 374). Die beschriebenen Probleme hat der Gesetzgeber zum Anlass genommen, § 184b Abs. 5 StGB um eine weitere Tatbestandsausnahme zu erweitern und entsprechende Einsätze im Ermittlungsverfahren durch besondere Verfahrensregelungen in einem neu geschaffenen § 110d StPO zu präzisieren. Die Novelle ist am 13.3.2020 in Kraft getreten.

§ 184b Abs. 5 S. 2 StGB

§ 184b Abs. 5 des StGB wurde um S. 2 mit folgendem Inhalt ergänzt:

„Absatz 1 Nummer 1 und 4 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.“

Flankiert wird die Tatbestandsausnahme von § 110d StPO, der vorsieht, dass Einsätze, bei denen entsprechend § 184b Abs. 5 S. 2 StGB Handlungen im Sinne des § 184b Abs. 1 Nummer 1 und 4 des Strafgesetzbuches vorgenommen werden,

  • der Zustimmung des Gerichts bedürfen;
  • in dem Antrag darzulegen ist, dass die handelnden Polizeibeamten auf den Einsatz umfassend vorbereitet wurden;
  • dass bei Gefahr im Verzug die Zustimmung der Staatsanwaltschaft genügt, die Maßnahme aber zu beenden ist, wenn nicht das Gericht binnen drei Werktagen zustimmt und
  • die Zustimmung schriftlich zu erteilen und zu befristen ist.

Durch die neue Regelung werden aus Sicht des Gesetzgebers „die Handlungsmöglichkeiten im Rahmen der Ermittlungen wegen des Verdachts der Kinderpornographie im Darknet erweitert (BT-Drs. 19/16543, 10). Durch eine „effektive Strafverfolgung soll dazu beigetragen werden, den Markt für kinderpornographische Schriften auszutrocknen, um auf diese Weise der Herstellung weiterer Missbrauchsdarstellungen sowie der Gefahr entgegenzuwirken, dass Dritte zur Nachahmung angeregt werden“ (BT-Drs. 19/16543, 10). Wie dem Gesetzestext zu entnehmen ist, ist Voraussetzung, dass die Ermittlungsbehörde kinderpornographische Inhalte verwendet, die kein tatsächliches Geschehen wiedergeben. „Es dürfen also keine tatsächlichen sexuellen Handlungen mit einem echten Kind, keine ganz oder teilweise unbekleideten echten Kinder in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung und auch keine unbekleideten Genitalien oder Gesäße echter Kinder in sexuell aufreizender Form dargestellt sein“ (BT-Drs. 19/16543, 10). Bei der unmittelbaren Herstellung dieser kinderpornographischen Inhalte dürfen darüber hinaus keine Bildaufnahmen verwendet worden sein, auf denen ein Kind oder ein Jugendlicher abgebildet ist (BT-Drs. 19/16543, 11). Die Nutzung etwa von Fotocollagen oder verfremdeten echten Bildaufnahmen ist nichtgestattet. Der Begriff Bildaufnahme umfasst alle Abbildungen sowohl von Standbildern als auch Bildsequenzen, die auf einem Aufnahmemedium aufgezeichnet worden sind, sei es auf herkömmlichem Weg mittels Filmmaterials oder auf den inzwischen üblichen modernen Datenträgern unterschiedlichster Art (BT-Drs. 19/16543, 11).

Tatbestandsvoraussetzungen

Eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 1 Nr. 1 und 4 StGB insbesondere wegen Verbreitung oder Herstellung kinderpornographischer Inhalte scheidet nunmehr aus, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen vorliegen: Die in Rede stehende Handlung muss eine dienstliche Handlung i.R.e. strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sein. Sie muss sich auf einen kinderpornographischen Inhalt beziehen, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt. Sie darf zudem nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden sein. In strafprozessualer Hinsicht regelt § 110d StPO für entsprechende Einsätze in Ermittlungsverfahren insbesondere einen Richtervorbehalt.

Im Einzelnen:

Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

In persönlicher Hinsicht ist zunächst anzumerken, dass § 184b Abs. 5 S. 2 StGB, für § 184b Abs. 1 Nr. 1 und 4 StGB diejenigen von der Strafbarkeit ausnimmt, die einen Inhalt bei dienstlichen Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren verwenden. Daraus folgt, dass „in materieller Hinsicht ausschließlich Staatsanwälte, Polizeibeamte und (fernliegend) sonstige Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaften in den Genuss der Straffreiheit kommen werden“ (Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 376). Im Vergleich zu § 184b Abs. 5 S. 1 StGB, der den Tatbestandsausschluss wie zuvor auch auf Dritte ausweitet, die Aufgaben erfüllen, die sich aus Vereinbarungen mit staatlichen Stellen ergeben (insbesondere externe Sachverständige), fehlt eine entsprechende Erstreckung auf Dritte bei § 184b Abs. 5 S. 2 StGB. Insofern dürfen sich die Ermittlungsorgane gerade auch für die Herstellung entsprechenden computergenerierten Materials nicht auf die Expertise von Sachverständigen beziehen und müssen die Dateien selbst herstellen. Dies könnte zu einem Problem in der Praxis führen, wenn man bedenkt, dass die Staatsanwaltschaften einiger Bundesländer sich für die Auswertung von asservierten/beschlagnahmten Datenträgern nach kinderpornographischen Inhalten der Expertise von Sachverständigen bedienen, weil die Landeskriminalämter schlicht nicht über die personelle Ausstattung und/oder Kompetenz verfügen, die aufwendigen Auswertungen vorzunehmen (Vgl. Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 376).

In sachlicher Hinsicht verlangt § 184b Abs. 5 S. 2 StGB, dass bereits ein Anfangsverdacht einer verfolgbaren Straftat vorliegt, da sich die Norm auf Handlungen „im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren“ beschränkt. Dies stellt tatsächlich eine recht niedrige Schwelle da. Es reicht aus, das zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen, mithin die Möglichkeit, dass nach kriminalistischer Erfahrung eine verfolgbare Straftat gegeben ist.

Kein tatsächliches Geschehen

Eine Voraussetzung für den Tatbestandsausschluss ist, dass die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt. Nach dem Willen des Gesetzgebers „dürfen also keine tatsächlichen sexuellen Handlungen mit einem echten Kind, keine ganz oder teilweise unbekleideten echten Kinder in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung und auch keine unbekleideten Genitalien oder Gesäße echter Kinder in sexuell aufreizender Form dargestellt sein“ (BT-Drs. 19/16543, 11). Die Herstellung von Schriften, die ein tatsächliches Geschehen zum Gegenstand haben, fügt den betroffenen Opfern oft körperliche oder psychische Schäden zu oder gefährdet zumindest ihre psycho-sexuelle Entwicklung (MüKO/Hörnle, § 184b StGB, Rn. 1). An einer Vertiefung einer solchen Rechtsverletzung kann bzw. will der Gesetzgeber die Ermittlungsorgane nicht dadurch befähigen, dass er einmal hergestellte Dateien, die ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, weiter in Umlauf bringt.

Keine Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen

Der Inhalt darf nach § 184b Abs. 5 S. 2 StGB nicht nur kein tatsächliches Geschehen wiedergeben, sondern darf kumulativ „auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden“ sein. Der Gesetzgeber schließt damit – zum Schutze der Kinder – die Nutzung etwa von Fotocollagen oder verfremdeten echten Bildaufnahmen aus (BT-Drs. 19/16543, 11).

Nach der Gesetzesbegründung darf hingegen rein technisch beziehungsweise digital generiertes kinderpornographisches Material, zum Beispiel mittels künstlicher Intelligenz erzeugte Bilder i.S.d. § 184b Abs. 5 S. 2 StGB verwendet werden. „Das Trainieren der künstlichen Intelligenz, die zur Herstellung einer kinderpornographischen Schrift, die kein tatsächliches Geschehen wiedergibt, benutzt wird, wird durch die Formulierung des Ausnahmetatbestandes § 184b Absatz 5 Satz 2 StGB nicht ausgeschlossen, da es sich beim Trainieren noch nicht um eine ‚Herstellung‘ handelt, sondern um eine zeitlich vorverlagerte Tätigkeit“ (BT-Drs. 19/16543, 11).

Trotz des insoweit unklaren Wortlauts „Verwendung einer Bildaufnahme“ „ist wohl davon auszugehen, dass auch eine Herstellung unter Verwendung von Videoaufnahmen den Tatbestandsausschluss rechtfertigt, da sich Videoaufnahmen als aus einer Vielzahl von Einzelbildern zusammengesetzt verstehen lassen“ (Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 376).

„Aus technischer Sicht sind verschiedene Möglichkeiten zur Umsetzung denkbar, die allesamt auf der Nutzung moderner Ausprägungen der Computergrafik basieren. Die grundlegende Annahme dabei ist, dass bereits heute in Computerspielen und Filmen lebensechte Nachahmungen von Geschehnissen und Personen enthalten sind, die vom Betrachter nicht oder zumindest nicht als störend wahrgenommen werden, obwohl die Inhalte in einer sehr hohen Wiedergabequalität (also mit hoher Auflösung, niedriger Kompressionsstufe und hohen Anzahl an Bildern pro Sekunde) wiedergegeben werden“ (Wittmer/Steinebach, MMR 2019, 650, 651). Als einfachste Variante wird hier das Erstellen von Vektorgrafiken genannt, analog zu den Figuren in Computerspielen (Wittmer/Steinebach, MMR 2019, 650, 651).

Keine Drittbesitzverschaffung?

Es ist fraglich, ob der Gesetzgeber die Drittbesitzverschaffung von der Möglichkeit für Ermittlungsorgane straffrei ermitteln zu können, ausschließen wollte. Der neue Tatbestandsausschluss nennt allein § 184b Abs. 1 Nr. 1, 4 StGB, also vor allem das Verbreiten, Öffentlich-zugänglichmachen sowie das Herstellen kinderpornographischer Inhalte. Nicht genannt wird hingegen die Möglichkeit der Drittbesitzverschaffung. Diese Möglichkeit war nach alter Rechtslage jedoch gegeben. Es ist unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber die Ermittlungsorgane an dieser Stelle bewusst beschränken wollte. Dem Wortlaut der Norm nach wäre es zwar zulässig, künstlich erzeugtes kinderpornographisches Material einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis zugänglich zu machen, also gem. § 184b Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. StGB zu verbreiten, das heißt z.B. unmittelbar und für alle Forenmitglieder sichtbar auf einem einschlägigen Board zu posten. „Nicht zulässig wäre es hingegen bei strenger Orientierung am Wortlaut, das künstliche Material z.B. nur einem eingeschränkten Kreis von Forenadministratoren zu übermitteln, welche dann über den Zugang zum oder den Verbleib auf dem Forum entscheiden, da eine solche Handlung nicht als Verbreitung, sondern als Drittbesitzverschaffung gem. § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB zu qualifizieren sein könnte“ (Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 376). Dies scheint jedoch mit dem Ziel des Gesetzgebers nicht in Einklang zu stehen. „A maiore ad minus“ muss für die Drittbesitzverschaffung erst Recht gelten, was für das Verbreiten gilt, da „der Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis ein deutlich höherer Unrechtsgehalt als der schlichten Drittbesitzverschaffung zukommt“ (Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 376). Jedenfalls ist jedoch von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen und insofern für die Drittbesitzverschaffung eine Analogie zulässig, da § 184b Abs. 5 StGB einen Tatbestandsausschluss begründet, so dass das strafrechtliche Analogieverbot nicht entgegensteht (Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 376). „Unter Berücksichtigung des Telos macht es keinen Unterschied, ob das von den Ermittlern eingesetzte Material der gesamten Mitgliedschaft des Forums oder nur einzelnen Personen (z.B. auch i.R.e. geschlossenen Chatrooms oder in unmittelbarer Kommunikation) zugänglich gemacht wird (Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 376).

Strafprozessual

Flankierend neu eingefügt wird darüber hinaus die Befugnisnorm in § 110d StPO die vorsieht, dass

  • die Maßnahme erstens unter dem Vorbehalt schriftlicher richterlicher Zustimmung steht,
  • zweitens sie nur von speziell für den Einsatz geschulten Polizeibeamten durchgeführt werden darf und
  • sie drittens zeitlich zu befristen ist.

Hinzu tritt die bereits im materiellen Strafrecht für den Tatbestandsausschluss geltende Subsidiaritätsklausel in § 184b Abs. 5 Nr. 2 StGB (Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert).

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Trotz der systematischen Stellung nach den §§ 110a ff. StPO, beschränkt die Norm die Erlaubnis nicht auf verdeckte Ermittler i.S.v. § 110a StPO, sondern erlaubt auch die Verbreitung von künstlichem kinderpornographischem Material durch nicht offen ermittelnde Polizeibeamten. Der Einsatz verdeckter Ermittler, ist bei Ermittlungen gegen Kinderpornographie im Darknet regelmäßig gar nicht notwendig, „da die Teilnehmer dort (anders als im regulären Teil des Internets) grundsätzlich nur unter Pseudonymen handeln“ (Gercke, CR 2018, 480,482).

Kritik

Bislang hat der neue Tatbestandsausschluss in § 184b Abs. 5 S. 2 StGB keinen großen Widerhall in der Literatur erzeugt.

Zu der geplanten Änderung wurde zwar unter anderem angemerkt, dass „eine empirische und wissenschaftlich fundierte Untersuchung, in wie vielen Fällen Ermittlungen an einer „Keuschheitsprobe“ scheitern, bislang fehlt“ (Gercke, CR 2018, 480), so dass insbesondere die Grundlage für die Beurteilung der tatsächlichen Notwendigkeit einer Neureglung fehle. Wenn die Berichte aus der Strafverfolgungspraxis, dass weitere Ermittlungen bislang regelmäßig an der Keuschheitsprobe scheiterten hingegen zutreffen, hat der Gesetzgeber mit § 184b Abs. 5 S. 2 StGB einen Tatbestandsausschluss geschaffen, der die alte Diskussion darüber, ob auch das Verbreiten und/oder öffentliche Zugänglichmachen kinderpornograhischer Inhalte von dem Tatbestandsausschluss in § 184b Abs. 5 StGB a.F. gedeckt sind, erledigt. Insofern wurde eine große Lücke geschlossen, die den Ermittlungsorganen weitaus größere Möglichkeiten zur effektiven Strafverfolgung verschafft und die Rechtsunsicherheit für die handelnden Polizeibeamten beseitigt.

Inhaltlich konzentriert sich die negative Kritik vor allem darauf, dass durch die neue Ermittlungsmöglichkeit der Markt, der eigentlich bekämpft und „ausgetrocknet“ werden soll, belebt und aktiv gefördert wird und also die  Nachfrage nach weiteren kinderpornographischen Produkten und somit der Anreiz zur Begehung von Kindesmissbrauch, zur Produktion kinderpornographischer Materialien nicht verringert, sondern verstärkt würde. Letztlich könnten die Konsumenten dadurch zu „Hands-on-Delikten“ angeregt werden. Dem lässt sich entgegenhalten, „dass bereits ein einziges Forum mit neu hergestellten kinderpornografischem Material, bei dessen Aufklärung und der daran anknüpfenden Identifizierung von Tätern und Opfern die Ermittlungsbehörden auf Grund der bisherigen Gesetzeslage scheiterten, unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ein Tätigwerden des Gesetzgebers rechtfertigt“ (Rückert/Goger, MMR 2020, 373, 375). Letztlich hat der Gesetzgeber durch die Vorgabe, dass keine Dateien verwendet oder hergestellt werden dürfen, die Bildaufnahmen eines Kindes oder Jugendlichen zeigen, die Subsidiaritätsklausel und den richterlichen Anordnungsvorbehalt genügend Sicherungsmaßnahmen eingebaut, die dafür Sorge tragen, dass bestehende Rechtsverletzungen durch vorhandene kinderpornographische Inhalte nicht weiter vertieft werden. Die Strafverfolgung kann durch § 184b Abs. 5 S. 2 StGB effektiver werden. Dadurch kann dazu beigetragen werden, „den Markt für kinderpornographische Schriften auszutrocknen“ (BT-Drs. 19/16543, 10).

Kinderpornographie im Darknet – ein Fazit

Der Gesetzgeber hat in einem wenig beachteten Teil des 57. Gesetzes zur Änderung des StGB, die Möglichkeiten für Ermittlungsorgane im Bereich der Verbreitung von Kinderpornographie über abgeschottete Onlinekanäle erheblich erweitert. Nunmehr können Strafverfolger über den neu geschaffenen § 184 Abs. 5 S. 2 StGB, ohne eine eigene Strafbarkeit zu riskieren, (computergenerierte) kinderpornographische Inhalte herstellen und zur Überwindung der Schranke in Form von „Keuschheitsproben“ auf einschlägigen Foren oder Boards einstellen (lassen).  Mit der Schaffung eines materiell-rechtlichen Tatbestandsausschlusses und einer flankierenden strafprozessualen Befugnisnorm hat der GesetzgeberLücken, die zuvor bestanden, weil das Verbreiten und öffentliche Zugänglichmachen kinderpornographischer Inhalte über die alte Befugnisnorm nicht zulässig war, geschlossen.

Nur immer höhere Strafe zu statuieren, ist kein geeignetes Mittel, um Delinquenz verhindern oder bekämpfen zu können. Es ist zielführender die Aufklärungsrate von Straftaten zu steigern, um das Entdeckungsrisiko für Straftäter zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund sind die Gesetzesänderungen potenziell geeignet, dem angestrebten Ziel, den Markt für kinderpornographische Inhalte auszutrocknen, ein Stück näher zu kommen.

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