Der reformierte § 201a StGB schützt den höchstpersönlichen Lebensbereich vor unbefugten Bildaufnahmen und deren Weiterverbreitung. Die Neuregelung, die seit Anfang 2015 in Kraft ist, schließt bestehende Strafbarkeitslücken, insbesondere im Sexualstrafrecht, und reagiert auf Phänomene wie Cyber-Mobbing und die Verbreitung demütigender oder sexueller Inhalte.

201a StGB
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Dieser Beitrag beleuchtet die wichtigsten Änderungen, wie die Bestrafung von Posing-Bildern Minderjähriger oder die unbefugte Verbreitung schädigender Aufnahmen, und erläutert die Tatbestandsvoraussetzungen sowie die Abwägung berechtigter Interessen. Zudem werden praxisnahe Beispiele und Hinweise zu rechtlichen Konsequenzen aufgezeigt.

Rechtsanwalt informiert über die Neuregelung des § 201a StGB

Der § 201a StGB wurde bereits im Jahr 2004 zum Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs eingeführt. Er galt schon damals der Schließung einer Strafbarkeitslücke und sollte das unbefugte Abbilden dem unbefugten Abhören gleichstellen. Maßgeblich vorangetrieben durch die Edathy-Affäre erfuhr der § 201a StGB jedoch in diesem Jahr eine erneute Erweiterung, durch die weiterhin bestehende Strafbarkeitslücken, vor allem im Bereich des Sexualstrafrechts, geschlossen werden sollten. Vorwiegend werden nun sogenannte Posing-Bilder von der Norm erfasst.

Aufgrund der Häufung von Bildern und Videos mit demütigenden, brutalen und sexuellen Inhalten auf den Smartphones und Tablets von Kindern und Jugendlichen sollte durch die Neufassung des § 201a StGB auch die Weiterverbreitung solcher Inhalte bestraft werden.

Was sind die Tatbestandsvoraussetzungen des neuen § 201a StGB?

Zunächst ist § 201a StGB ein Antragsdelikt, sodass ein Strafantrag der betroffenen Person notwendig ist, außer die Strafverfolgungsbehörden halten wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.

Der Anwendungsbereich des § 201a StGB beschränkte sich bis zu seiner Neuregelung auf unbefugte Bildaufnahmen von Personen, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befinden (§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Beispiele

Indessen werden auch solche Bildaufnahmen erfasst, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellen (§ 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB). Da die Tatbestandsvoraussetzung des „Hilflosigkeit zur Schau stellen“ jedoch weder durch das Gesetz, noch durch die bisherige Rechtsprechung genauer bestimmt wurde, verbleibt es den Gerichten, diesen unbestimmten Rechtsbegriff in Zukunft zu definieren.

Die Gesetzesbegründung nennt jedoch das Beispiel einer betrunkenen Person auf dem Heimweg oder eines Opfers einer Gewalttat, das verletzt und blutend auf dem Boden liegt. Grob könnte man Hilflosigkeit als eine Situation definieren, in der eine Person aufgrund ihrer körperlichen oder psychischen Konstitution oder wegen anderer äußerer Einflüsse nicht oder nicht mehr in der Lage ist, einen Willen zu bilden oder sich einem gebildeten Willen entsprechend zu verhalten. Die Person kann sich aufgrund dessen der hilflosen Situation nicht ohne eigene oder fremde Hilfe entziehen.

Sowohl bei Aufnahmen aus dem gegen Einblicke geschützten Lebensbereich einer Person, als auch bei Aufnahmen von der Hilflosigkeit einer Person ist die Herstellung oder Übertragung solcher Aufnahmen unter Strafe gestellt. Aber auch der Gebrauch solcher Aufnahmen und die Schaffung eines Zugangs zu solchen Aufnahmen wird durch § 201a Abs. 1 Nr. 3 StGB unter Strafe gestellt.

Die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs

Voraussetzung ist jedoch jeweils, dass durch die Handlung der höchstpersönliche Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt ist. Durch diese Voraussetzung sollen nur solche strafwürdigen Fälle erfasst werden, bei denen die Aufnahme einen besonders geschützten Lebensbereich betrifft, wie z.B. Krankheit, Tod, Sexualität und sehr persönliche Tatsachen aus dem Familienbereich.

Auch wenn solche Aufnahmen befugt hergestellt worden sind, wird die Zugänglichmachung solcher Aufnahmen bestraft, nämlich dann, wenn die Schaffung des Zugangs unbefugt erfolgt ist. Damit sind insbesondere Fälle des sogenannten Revenge-Porn erfasst, in denen zuvor befugt im privaten Lebensbereich gemachte Nacktaufnahmen nach der Trennung eines Paares ohne Einwilligung des abgebildeten Partners ins Internet gestellt werden.

Revenge Porn

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Neu hinzugekommen sind die Absätze 2 und 3 des § 201a StGB.

Neu: Absatz 2 des §201a StGB

Bestraft wird nach Absatz 2, wer Aufnahmen von einer anderen Person, welche geeignet sind, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, unbefugt einer dritten Person zugänglich macht. Auch hier schweigt das Gesetz dazu, wann eine Aufnahme geeignet ist, der Person zu schaden. Nach der Gesetzesbegründung sollen aber speziell Aufnahmen erfasst werden, welche die Person in einer peinlichen, ihre Würde verletzenden Situation oder in einem Zustand zeigen, bei denen angenommen werden kann, dass üblicherweise ein Interesse daran besteht, die Aufnahmen nicht Dritten zugänglich zu machen. Wann genau jedoch die Aufnahme geeignet ist, wird in Zukunft erst durch die Rechtsprechung genauer bestimmt werden können.

Ebenfalls neu: Absatz 3

Absatz 3 stellt unter Strafe, wer Bildaufnahmen, die die Nacktheit einer nicht volljährigen Person zum Gegenstand haben, herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft. Unter die Entgeltlichkeit fallen auch Tauschgeschäfte. Es muss also nicht zwangsläufig eine Zahlung für die Abbildungen erfolgen. So sind auch Onlineforen und Tauschbörsen von der Vorschrift erfasst, in denen Posing-Bilder getauscht werden oder als Anmeldevoraussetzung zur Verfügung gestellt werden müssen.

Einschränkung durch Absatz 4

Die sehr weite Fassung dieser Tatbestände war Gegenstand harscher Kritik. Die Tatbestände werden daher durch § 201a Abs. 4 StGB eingeschränkt. So gelten die vorangegangenen Normen mit Ausnahme des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht, wenn die jeweilige Handlung aufgrund überwiegender berechtigter Interessen erfolgt ist. Als überwiegende berechtigte Interessen werden durch das Gesetz die Kunst, die Wissenschaft, die Forschung, die Lehre und die Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnliche Vorgänge genannt.

Cyber-Mobbing - 201a stgb

Fazit:

  • Ziel des § 201a StGB: Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs vor unbefugten Bildaufnahmen und deren Verbreitung.
  • Erweiterung im Jahr 2015: Aufnahme neuer Tatbestände wie das „Zur-Schau-Stellen von Hilflosigkeit“ und die Bestrafung unbefugter Verbreitung schädigender oder intimer Aufnahmen.
  • Neu eingeführt: Bestrafung der Herstellung und Weitergabe von Posing-Bildern Minderjähriger gegen Entgelt.
  • Einschränkungen durch § 201a Abs. 4 StGB: Berechtigte Interessen wie Kunst, Wissenschaft und Berichterstattung bleiben geschützt.
  • Konsequenzen: Geld- oder Freiheitsstrafe, mögliche Eintragung ins Führungszeugnis je nach Strafmaß.

FAQ zur Neufassung des § 201a StGB

Im Folgenden klären wir weitere Fragen zu den Neuerungen des Paragraf 201a StGB.

Eine Strafbarkeit kann dann bestehen, wenn auf den Partyfotos beispielsweise die Hilflosigkeit einer Person zur Schau gestellt wird. Auch wenn eine betrunkene Person abgebildet ist, kann der Tatbestand des § 201a Abs. 2 StGB erfüllt sein, wenn die Aufnahme dazu geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden. Daher ist nunmehr besonders Vorsicht geboten beim Hochladen von Partyfotos bei Facebook und bei anderen sozialen Netzwerken und Medien.

Cyber-Mobbing hat zahlreiche Namen und Erscheinungsformen. Zusammenfassend ist Cyber-Mobbing das Diffamieren, Belästigen, Bedrängen und Nötigen eines Opfers mittels elektronischer Kommunikationsmittel. Durch § 201a StGB werden einige Formen des Cyber-Mobbings erfasst. Eine der häufigsten Erscheinungsformen des Cyber-Mobbings ist nämlich das Hochladen kompromittierender Video- und Bildaufnahmen des Opfers. Ebenso dazu gehört auch der Revenge-Porn in der Form des unbefugten Hochladens zunächst befugt entstandener oder gestohlener Aufnahmen. Durch § 201a StGB soll eine strafrechtliche Verfolgung dieser Handlungen ermöglicht werden.

Die Höchststrafe des § 201a StGB liegt bei zwei Jahren Freiheitsentzug, die Mindeststrafe ist eine Geldstrafe. Ein Eintrag in das Führungszeugnis erfolgt nicht für Geldstrafen von bis zu einschließlich 90 Tagessätzen und Strafen bis zu einschließlich 3 Monaten Freiheitsentzug. Ob eine Verurteilung aufgrund § 201a StGB in das Führungszeugnis eingetragen wird, hängt daher davon ab, was für eine Strafe und in welcher Höhe sie ausgesprochen wird. Dies wiederum ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls und den weiteren Strafbemessungsgesichtspunkten (z.B. bereits vorhandene Vorstrafen, Anzeichen von Reue, etc.).

Ein Verfahren kann grundsätzlich nach § 170 Abs. 2 StGB eingestellt werden, wenn kein hinreichender Tatverdacht besteht – vor allem also, wenn es an der Beweisbarkeit mangelt. Da die Handlungen des § 201a StGB ausschließlich Vergehen darstellen, kommt auch eine Einstellung wegen Geringfügigkeit in Betracht. Voraussetzung hierfür ist, dass die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung der Tat besteht. Auch eine Einstellung nach § 153a StGB gegen Auflagen ist möglich. Ob eine Einstellung überhaupt infrage kommt, hängt jedoch immer von den Umständen im Einzelfall ab. Da eine Verteidigung mitunter zielgerichtet auf eine Einstellung hinwirken kann, ist es ratsam, den jeweiligen Einzelfall von einem kompetenten Strafverteidiger prüfen zu lassen.

Da es sich beim § 201a StGB ausschließlich um ein Vergehen und nicht um Verbrechen handelt, ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht zwingend notwendig.

Die Einschaltung eines kompetenten Strafverteidigers oder Fachanwalts für Strafrecht ist jedoch insbesondere deshalb ratsam, weil aufgrund der Neugestaltung des § 201a StGB erhebliche Unklarheiten hinsichtlich der unbestimmten Rechtsbegriffe in den Tatbestandsvoraussetzungen bestehen und es daher vor Gericht umso mehr auf eine saubere juristische Argumentation ankommt.

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